Was tun mit dem Wohnungsproblem in den Ballungszentren?

07. Oktober 2016

Österreichs Ballungszentren haben ein Wohnungsproblem. Seit rund einem Jahrzehnt steigen die Mieten und Kaufpreise in den gewerblichen Wohnungssegmenten der österreichischen Städte deutlich stärker als die verfügbaren Haushaltseinkommen und die allgemeine Teuerung. Der starke Zuzug in die Ballungszentren und die sogenannte Flucht ins Betongold sind die beiden zentralen Ursachen dafür. In vielen europäischen Städten gibt es derzeit die gleichen fundamentalen Probleme bei der Wohnversorgung. In Österreich sind aber im Gegensatz zu anderen Ländern nach wie vor Institutionen vorhanden, die es der Politik ermöglichen, eine Investitionsoffensive im sozialen Mietwohnungsbau aktiv zu gestalten.

 

Vor dem Hintergrund des starken Zuzugs in die Städte ist klar, dass mehr Wohnraum – der auch leistbar ist – neu errichtet werden muss. Der Markt versagt bei dieser Aufgabe, weshalb eine öffentliche Investitionssteuerung notwendig ist. Ein jüngst veröffentlichter Vergleich der Wohnversorgung in Wien und Berlin in den letzten eineinhalb Jahrzehnten illustriert diese Tatsache sehr anschaulich.

Günstige Voraussetzungen für mehr bezahlbare Wohnungen…

Erfreulicherweise hat die Politik in Österreich nach wie vor Instrumente zur Wohnbauinvestitionssteuerung zur Verfügung, welche andernorts bereits vor langer Zeit über Bord geworfen wurden. Es handelt sich dabei erstens um die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen (in Deutschland etwa seit 1990 abgeschafft). Zweitens um die objektorientierten und damit investitionsgenerierenden Wohnbauförderungen der Länder (vielerorts seit langem auf Beihilfezahlungen umgestellt, etwa in Großbritannien und Frankreich). Drittens um Spezialkreditinstitute zur Ko-Finanzierung von preisgeregelten Mietwohnungsbauten, namentlich die Wohnbaubanken. Viertens um die seit Mitte September neu gegründete Wohnbauinvestitionsbank (WBIB). Fünftens um Instrumente zur Baulandmobilisierung, wie in Wien etwa der Wohnfonds.

…und erschwerende Faktoren

Demgegenüber ist auf der Sollen-Seite allerdings festzuhalten, dass in rapide wachsenden Ballungszentren wie Graz oder Wien nicht nur ein Wohnungsproblem, sondern insgesamt ein Städtebauproblem besteht. In den öffentlichen Budgets fehlt nicht nur Geld für ausreichende Wohnbauförderungsaktivitäten, sondern auch für die erforderlichen Infrastrukturen des Wohnumfeldes, wie Kindergärten, Schulen, Straßen und öffentliche Verkehrsmittel. Gleichzeitig verbieten es die Regeln des Stabilitätspaktes diese notwendigen Zukunftsinvestitionen mit langfristigen öffentlichen Anleihen, welche aktuell zu real negativen Zinssätzen verfügbar wären, zu finanzieren.

Was kann hier nun aus der Sicht des Bundes getan werden, um das Wohnungsproblem in den Ballungszentren aus der Welt zu schaffen?

Leistbarer Wohnbau erfordert erschwingliche Grundstücke

Wenn sich bei Bezug eines Projektes leistbare Mieten ergeben sollen, sind die zu Beginn anfallenden Grundkosten ein wesentlicher Faktor diesbezüglich.

Der Bund kann hier in zweifacher Weise unterstützend wirken: Erstens sollten die Grundstücksbestände des Bundes (ÖBB, Bundesheer, Bundesforste, BIG, etc.) durchforstet und ein nennenswerter Teil von nicht mehr benötigten Liegenschaften für den sozialen Wohnbau bereitgestellt werden. Am zweckmäßigsten wäre hier eine Vergabe im Baurecht. Die jeweiligen Körperschaften des Bundes blieben so Eigentümer und könnten langfristige, wertgesicherte (theoretisch unendliche) Renten aus den Baurechten beziehen. Für die späteren Wohnungsnutzenden hieße dies, dass vor Bezug kein Grundkostenbeitrag gezahlt werde müsste und die Einstiegsschranke Finanzierungsbeitrag daher deutlich gesenkt werden könnte.

Zweitens kann der Bund durch eine kompetenzrechtliche Änderung der Verfassung es den Ländern ermöglichen, baulandmobilisierende Maßnahmen rechtlich abgesichert anzuwenden. Im Rahmen des Volkswohnungswesens (=Bundeskompetenz) braucht es dazu einen weiteren als Länderkompetenz festgeschriebenen Ausnahmetatbestand, nämlich die sogenannte Vertragsraumordnung. Damit hätten die Länder bei Versuchen, Umwidmungsgewinne teilweise abzuschöpfen mehr Rechtssicherheit. Beide Maßnahmen sind Teil des aktuellen Regierungsprogrammes.

Wohnbauinvestitionsbank arbeitsfähig machen

Die vor kurzem formell ins Leben gerufene Wohnbauinvestitionsbank wird es ermöglichen, die anhaltende Niedrigzinsphase endlich für mehr leistbare Mietwohnbauprojekte zu nutzen. Im Bundesgesetz zur Einrichtung einer Wohnbauinvestitionsbank (WBIB-G) ist eine Mietenbegrenzung entweder gemäß Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz oder wohnbauförderungsrechtlicher Vorgaben vorgesehen. Damit ist zukünftig auch ein Fremdkapitalventil für das oben angesprochene Städtebauproblem geöffnet, was sehr erfreulich ist.

Im Wohnbauinvestitionsbankgesetz sind noch zu erstellende Durchführungsrichtlinien bezüglich der Geschäftstätigkeit der Wohnbauinvestitionsbank vorgesehen. Darin sollte festgeschrieben werden, dass bezüglich der bautechnischen Erfordernisse die Bauordnung maßgeblich und ausreichend ist. Das Gebot der Stunde sind solide und bezahlbare Wohnungen ohne Schnickschnack.

Eine Milliarde an zusätzlichen Wohnbauinvestitionen, welche mit Darlehen der WBIB angestoßen werden, schaffen schätzungsweise etwa 16.000 Jahresarbeitsplätze.

Erneute Zweckbindung der Wohnbauförderung im Finanzausgleich

Das oben beschriebene städtebauliche Problem wachsender Ballungszentren im Land kann alleine durch eine erneute und höher dotierte Zweckbindung der Wohnbauförderung im nächsten Finanzausgleich nicht gelöst werden. Ein neuerlicher Bundeszweckzuschuss kann aber garantieren, dass die künftig von der WBIB angestoßenen Wohnbauinvestitionen jedenfalls zusätzliche sind. Dazu braucht es eine Zweckbindung der vom Bund an die Länder überwiesenen Mittel etwa in der Höhe der zuletzt getätigten Wohnbauförderungsausgaben.