Was Crowdworker wollen

05. Oktober 2017

AppJobber, Clickworker oder Upwork – Plattformen, die vielseitige Services anbieten, breiten sich im Internet aus. Über die Menschen, die dort arbeiten, weiß man aber bisher wenig. Es gibt bislang keine statistische Erfassung von Plattformunternehmen, die in Europa bzw. Österreich aktiv sind. Geschweige denn über die Arbeit, die dort geleistet wird. Eine groß angelegte Befragung von Crowdworkern bringt nun erstmals Licht in die undurchsichtige Welt der Onlineplattformen und zeigt die Arbeitsbedingungen der Plattformarbeiter auf.

Was machen Crowdworker?

Kurzzeitjobs, die über sogenannte Crowdwork-Plattformen im Internet digital vermittelt werden, verbreiten sich auch in Österreich immer mehr. Die Tätigkeiten reichen von einfach bis kompliziert, von Fotobeschriftungen bis Übersetzungen und Softwarelösungen. Eine Onlinebefragung im Vorjahr zeigte, dass in Österreich 18 Prozent der TeilnehmerInnen bereits mindestens einmal über Crowdwork-Plattformen wie Upwork, Clickwork oder MyHammer gearbeitet haben. Fünf Prozent der Befragten gaben an, dass sie regelmäßig über solche Plattformen arbeiten.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Die Methode

In einer länderübergreifenden Kooperation haben AK, ÖGB, die deutsche Gewerkschaft IG Metall und die schwedische Gewerkschaft Unionen eine internationale Plattform aufgebaut, die zum Ziel hat, die Arbeitsbedingungen für Menschen, die über Plattformen arbeiten, zu verbessern. Dazu wurden zwölf große Plattformunternehmen untersucht, ihre Geschichte und Geschäftsmodelle analysiert und die dort tätigen Crowdworker befragt. So entstand die bislang größte Datensammlung zum Thema in Europa. Bewertet haben die Crowdworker z. B. Bezahlung, Kommunikation, Aufgaben, Arbeitsprozesse und Technik der Plattformen. Daraus wurde ein „Rating“ der einzelnen Plattformen erstellt, das Menschen, die auf einer Plattform arbeiten, Orientierung bieten soll: Wie viel wird für einzelne Aufträge bezahlt? Wie verlässlich wird bezahlt? Was haben andere Crowdworker dort erlebt, was sind Probleme, was sind Vorteile?

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Die ersten Ergebnisse der Plattformbewertungen

Bezahlung

Um die Bezahlung auf den einzelnen Plattformen ist es nicht gut bestellt. Vielfach wird unter Mindestlöhnen gearbeitet. Die Stundenlöhne auf den untersuchten Plattformen liegen laut den Plattformworkern zwischen 0,50 Euro Minimum und 26,32 Euro Maximum. Wie zufrieden die Crowdworker mit ihrer Bezahlung sind, hängt auch davon ab, aus welchen Ländern sie kommen, und welches Lohnniveau es dort gibt bzw. in welcher Branche sie arbeiten und auch davon, wie sehr sie auf die Plattformarbeit angewiesen sind. Ein Crowdworker fasst die Situation wie folgt zusammen: „Mir gefällt nicht, dass die Bezahlung so unterschiedlich und oft auch unfair zu sein scheint […] ich finde, es sollte eine weniger geradezu sklavenartige Arbeit sein, so viel Aufwand für eine so geringe Entschädigung, das ist fast schon beleidigend.“

Nicht bezahlte Arbeiten

Viele Crowdworker geben an, dass sie schon einmal „umsonst“ gearbeitet haben. So sagen etwa 60 Prozent der Befragten von der Plattform AMT oder 41 Prozent der Befragten von Clickworker, dass sie für eine von ihnen erledigte Arbeit schon einmal nicht bezahlt wurden. Allerdings geben die meisten an, das nicht öfter als ein- oder zweimal erlebt zu haben.

Die Gründe für eine Nichtzahlung liegen entweder bei technischen Fehlern der Plattform, bei Ablehnung der Arbeitsergebnisse durch die Requester (KundInnen), was bei vielen Plattformen auch ohne Begründung möglich ist oder bei Fehlern, die die Auftraggeber bei Self-Service-Plattformen beim Einstellen von Aufträgen verursacht haben. So berichtet ein Crowdworker: „Ein paar Mal habe ich nach dem Beantworten einer Umfrage keinen Bestätigungscode erhalten und konnte also nichts in das Feld eingeben, über das du mitteilst, dass du die Aufgabe erledigt hast.“

Unbegründete Ablehnung von Arbeitsergebnissen

Bei den meisten Plattformen kann der Kunde bzw. die Kundin die Arbeitsergebnisse und damit die Zahlung ohne Begründung ablehnen. Besonders unangenehm ist es für die Crowdworker, wenn dann kein Feature für die Anfechtung vorgesehen ist bzw. es keinen transparenten und klaren Weg zur Anfechtung oder Beschwerde über so einen Vorgang und auch kein entsprechendes Lösungsverfahren gibt.

Kommunikation

Oft wissen die Befragten nicht, wie sie mit den PlattformbetreiberInnen kommunizieren können. So haben etwa weniger als ein Viertel der Befragten bei der Plattform AMT bereits mit den PlattformbetreiberInnen kommuniziert. Bei anderen Plattformen läuft das besser: Bei Clickworker beispielsweise ist die Kommunikation mit der Plattform gut bewertet. Die Kommunikation mit einzelnen AuftraggeberInnen dagegen ist nur schwer möglich: Rund 70 Prozent gaben an, dass sie nicht wussten, wie sie sich direkt mit KundInnen in Verbindung setzen können oder dass dies nicht möglich sei. Das bringt Schwierigkeiten, wenn Einzelheiten zur Aufgabe geklärt werden müssen und es macht einen Beziehungsaufbau zu KundInnen de facto unmöglich.

Einseitige AGBs

Bei allen untersuchten Plattformen behalten sich die BetreiberInnen vor, die AGBs einseitig jederzeit zu ändern.

Qualifizierungen

Bei einigen Plattformen werden bestimmte, oft besser bezahlte Aufgaben erst dann für die Crowdworker freigeschaltet, wenn diese bestimmte „Tests“ absolvieren oder sich durch gute KundInnenbewertungen dafür „qualifizieren“. Schafft man solche Tests nicht, gibt es bei einigen Plattformen kein Recht darauf, sie zu wiederholen. Crowdworker beschreiben solche Situationen wie folgt: „Ich habe eine Bewertung von weniger als 100 Prozent bekommen, weil sich bei der Erledigung einer Qualifizierungsaufgabe aufgrund von Browser-Problemen Fehler eingeschlichen haben. Aber ich durfte die Prüfung nicht noch mal ablegen, so sind die Regeln, obwohl die Fehler auf ein technisches Problem zurückgingen.“

Ein Umfeld, das nicht darauf ausgerichtet ist, die Beschäftigten dabei zu unterstützen, sich selbst weiterzuentwickeln und ihre Erfahrungen und Fertigkeiten zum Einsatz zu bringen, wird ebenfalls als Nachteil beschrieben: „Je mehr ich auf Clickworker arbeite, umso mehr Erfahrungen sammle ich, aber ich kann die Qualifizierungsprüfungen in der Regel nicht noch mal ablegen, um an bessere Arbeit zu gelangen.“

Kontrollverlust über die eigene Zeit

Als eine der negativsten Seiten wird von den Crowdworkern die zeitweise sehr schlechte Auftragslage erlebt, wenn die Suche nach Aufträgen lange Zeit in Anspruch nimmt. Im Gegensatz zu der in Zusammenhang mit der „Share Economy“ und der Plattformökonomie oft gepriesenen Freiheit entsteht so eine Situation, bei der die Worker das lange und unbezahlte Ausharren vor dem Computer auf der Suche nach Arbeit als frustrierenden Kontrollverlust beschreiben. Ein Crowdworker meint dazu: „Ich habe das Gefühl, die Arbeit selbst zu beherrschen, aber ich habe keinerlei Kontrolle darüber, wann Arbeit verfügbar wird.“ Ein anderer: „Du musst dauernd nochmal auf der Webseite nachsehen, und eine Gelegenheit zum Gelderwerb kann dir in Sekunden durch die Lappen gehen.“

Die so entstehende Unberechenbarkeit des eigenen Einkommens scheint eine große Belastung darzustellen: „Es gibt keine regelmäßige Arbeit. Manchmal verdiene ich drei Euro die Woche, manchmal fünfzehn, dann wieder vierzig.“

Was schätzen die Crowdworker an ihrer Plattform?

Der Grund, warum sie sich für die Arbeit auf der Plattform entscheiden, ist einfach: Die Suche nach Einkommen. Daneben erwähnen Crowdworker vor allem die Flexibilität ihrer Arbeit für die Plattform, vor allem, wenn sie durch andere Lebensumstände (fehlende Kinderbetreuung, Pflegetätigkeiten) an regelmäßiger Arbeit gehindert werden.

Außerdem werden als positiv beschrieben: die „Vielfalt der Aufgaben“ bzw. wenn die Aufgaben als „interessant“ erlebt werden, die Möglichkeit „sich produktiv zu fühlen“ und die Möglichkeit, global arbeiten zu können. „Weil es einfach ist, mit Kunden aus aller Welt zu arbeiten, und weil die Bezahlung besser ist als in meinem Land“. Und zuletzt schlicht der Zugang zu Arbeit: „Die Website bietet mir Zugang zu einer Unzahl von Kunden und Projekten, zu denen ich keinen Zugang hätte, wenn ich offline arbeiten würde.“

Wie kann Crowdwork fairer gestaltet werden?

·         Transparenz: Die öffentliche Hand und Statistikinstitutionen müssen über mehr Informationen zu den Vorgängen auf Plattformen, bzw. überhaupt über deren Existenz, verfügen. Dazu braucht es eine statistische Erfassung von in Österreich aktiven Plattformunternehmen, die Arbeit in Österreich anbieten. Außerdem müssen die Publikationsvorschriften an die Internetarbeitswelt angepasst werden.

·         Rechtliche Klarheit für Crowdworker: Es ist die Verantwortung der PlattformbetreiberInnen, Verträge, die in Einklang mit dem nationalen Recht stehen, anzubieten und die Crowdworker ausreichend zu informieren. Praktiken wie etwa, dass schon vor dem Einstieg in die Plattform die „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ (AGB) akzeptiert werden müssen, reichen dafür jedenfalls nicht aus.

·         Mindestlöhne: Es müssen Maßnahmen entwickelt werden, die sicherstellen, dass die Arbeit, die über Plattformen verrichtet wird, nicht unter kollektiven oder nationalen Mindestlöhnen liegt.

·         Rechtsdurchsetzung: Es müssen Maßnahmen entwickelt werden, die sicherstellen, dass Plattformworker ihre Rechte durchzusetzen können und die Umgehung von Arbeitsrecht verhindert wird (etwa Strafen für falsche Vertragsausgaben, das Ausgehen von einer Arbeitnehmereigenschaft der Arbeitenden etc.).

·         Arbeitsbedingungen verbessern: Darüber hinaus können viele Verbesserungen geschaffen werden: die Übertragbarkeit und Akkumulierung von Bewertungen, ordentliches Konfliktmanagement durch die PlattformbetreiberInnen, die Widerholbarkeit von Test etc. Und: Mechanismen, die faire und gleichberechtigte Lösungen von Konflikten zwischen der Plattform, den Crowdworkern und den AuftraggeberInnen ermöglichen. Voraussetzung dazu sind einerseits die Gesprächsbereitschaft der PlattformbetreiberInnen und andererseits die Möglichkeit von Plattformworkern, sich zu organisieren und entsprechende Vereinbarungen zu schließen.

·         Europäischer Rechtsrahmen: Zwar sind nationale Regelungen sinnvoll, umfassende Verbesserungen bedürfen allerdings europäischer Lösungen.