Peter und die Frauen – warum es eine Geschlechterquote für den Vorstand braucht

12. März 2021

Die Corona-Krise spitzt die Ungleichheit der Geschlechter zu: Während Frauen in systemrelevanten Berufen in der ersten Reihe stehen, sind sie in der Unternehmensführung nach wie vor unterrepräsentiert. Trotz Fortschritten im Aufsichtsrat, wo seit 2018 eine Geschlechterquote von 30 Prozent gilt, hält sich das Patriarchat im Management hartnäckig. Im europäischen Vergleich ist Österreich beim Frauenanteil in den Vorständen der großen börsennotierten Unternehmen praktisch Schlusslicht: Dort sind mehr Peter (9) als Frauen (6) vertreten. Um den ewigen „Peter-Kreislauf“ zu durchbrechen, braucht es – wie im Aufsichtsrat – auch für das Management eine Geschlechterquote.


Erste Reihe

Die Wirtschaft ist eine der letzten Männerbastionen, während sogar das politische Parkett langsam weiblicher wird: Seit Dezember 2019 ist Ursula von der Leyen Präsidentin der Europäischen Kommission, und seit März 2021 steht mit Ngozi Okonjo-Iweala erstmalig eine Frau an der Spitze der World Trade Organisation. Once little girls can see it, little girls can be it – mehr weibliche „Role Models“ braucht es nicht nur in Politik, Wissenschaft, Kultur oder Medien, sondern gerade in der männerdominierten Unternehmensführung. Wie der Frauen.Management.Report.2021 zeigt, sind Frauen in der österreichischen Wirtschaft nach wie vor deutlich unterrepräsentiert: In den 20 Leitunternehmen des Austrian Traded Index (ATX) sind im Jänner 2021 nur 7 Prozent Frauen im Vorstand vertreten. Damit bildet Österreich im europäischen Vergleich (EU-Schnitt: 19 Prozent) gemeinsam mit Luxemburg (4 Prozent) das Schlusslicht. Obwohl Deutschland mit 14 Prozent besser abschneidet, wurden dort kürzlich gesetzliche Maßnahmen beschlossen: Durch ein Mindestbeteiligungsgebot für den Vorstand in börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen muss künftig ab vier Personen mindestens eine Frau im Vorstand vertreten sein.

Grenze

Dass gesetzliche Regelungen Früchte tragen, lässt sich an der positiven Dynamik in österreichischen Aufsichtsräten ablesen. Seit 2018 gilt dort eine Geschlechterquote von 30 Prozent, und seitdem hat sich der Frauenanteil in den quotengebundenen börsennotierten Unternehmen um fast zehn Prozentpunkte gesteigert: von 22 Prozent (2018) auf knapp ein Drittel (32 Prozent) im Jänner 2021. Besonders hervorzuheben sind die beiden Unternehmen Verbund AG und die BKS Bank AG, die sich mit einem Frauenanteil von 47 Prozent bzw. 46 Prozent der Geschlechterparität schon weitestgehend angenähert haben. Im Vergleich dazu liegt der durchschnittliche Anteil der Aufsichtsrätinnen in den nicht quotenpflichtigen börsennotierten Unternehmen bei lediglich 18 Prozent. Dennoch: Die stärkere Frauenpräsenz in den Aufsichtsräten zeigt bislang keine „Spill-over-Effekte“ auf das Management. Woran das liegt? Selbst wenn sich die Arbeit des Aufsichtsrates durch mehr Geschlechterdiversität empirisch nachweisbar verbessert, sitzen dort, wo die „wahre Macht“ ausgeübt wird, nach wie vor Männer an den Schalthebeln. Dies gilt primär für den Aufsichtsratsvorsitz und den Vorsitz in jenen Aufsichtsratsausschüssen, wo die Fäden für die Nachfolgeplanung für Vorstand und Aufsichtsrat gezogen werden. So fallen bei der Rekrutierung von Führungskräften für das Top-Management objektivierende Auswahlmethoden weg, das entscheidende Selektionskriterium ist und bleibt das „Ähnlichkeitsprinzip“. Kurzum: Mann mit Krawatte rekrutiert Mann mit Krawatte.

Quote

In der Praxis zeigt sich, dass Aufsichtsratsgremien ihren Hebel für die Erhöhung der Diversität (noch) nicht nützen. Nach wie vor finden sich im Top-Management überwiegend Männer gleicher Herkunft, Ausbildung und Sozialisation: In den 200 umsatzstärksten Unternehmen Österreichs sind 91 Prozent der Spitzenpositionen in Vorstand bzw. Geschäftsführung in Männerhand, in den börsennotierten Unternehmen sind es sogar 92 Prozent. Im letzten Jahrzehnt hat sich der Frauenanteil in den Vorständen der börsennotierten Unternehmen um nicht einmal 6 Prozentpunkte erhöht – ausgehend vom niedrigen Niveau von knapp 2 Prozent im Jahr 2012. Daher braucht es dringend eine gesetzliche Regelung: Ab drei Personen im Vorstand muss fortan zumindest eine davon weiblich sein. Damit würde der Frauenanteil nach jetzigem Stand auf immerhin 22 Prozent und damit das Dreifache des aktuellen Werts angehoben werden und es würden immerhin 33 neue Spitzenpositionen für Frauen entstehen. Öffentlichkeitswirksame Kampagnen wie #ReframingQuotenfrau zur Entstigmatisierung der Quote sind umso wichtiger, damit Unternehmensentscheidungen endlich gleichermaßen von Frauen und Männern getroffen werden.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Zugkraft

Eine „Vorstandsquote“ zieht geschlechtergerechte Führungskräfteentwicklung nach sich. Und ein höherer Frauenanteil auf allen Managementebenen trägt wiederum dazu bei, gleichstellungspolitische Wirkungen auf das gesamte Unternehmen zu entfalten. So gibt es Belege dafür, dass ein höherer Anteil von Frauen in Führungspositionen geringere Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern im Unternehmen zur Folge hat – und die Chancen auf eine Beförderung von Frauen steigen. Mehr Frauen in Aufsichtsrat und Management sind demnach unverzichtbar, damit Gleichstellungspolitik Erfolg haben kann. Die öffentliche Hand zeigt vor, wie es geht: 2020 wurde die Erhöhung des Frauenanteils in den Aufsichtsratsgremien staatsnaher Unternehmen auf 40 Prozent beschlossen. Dieser Maßnahme muss nun eine rasche Zielvorgabe für die geschlechtergerechte Besetzung von Geschäftsführungen folgen. In den staatsnahen Unternehmen sollte in einem mehrköpfigen Vorstand, d. h. ab zwei Personen, mindestens eine Frau vertreten sein. Derzeit liegt der Anteil dort bei 17 Prozent, unter Anwendung der Quote wäre dies ein starker Impuls für die Gleichstellung mit einem Frauenanteil von mehr als einem Drittel (35 Prozent). Ein Unternehmen, das mit gutem Beispiel vorangeht, ist die Österreichische Bundesbahnenholding AG (ÖBB): Hier wurde Ende Jänner 2021 im Aufsichtsrat beschlossen, dass künftig bei Nachbesetzungen in Führungsetagen eine Frauenquote von 50 Prozent zu erfüllen ist. Wird die Quote verfehlt, werden Managerboni gekürzt. Damit echte Gleichstellung endlich Fahrt aufnehmen kann, muss dieser Vorstoß beispielgebend sein. Künftig sollten alle großen und börsennotierten Unternehmen von mehr Geschlechterdiversität an der Führungsspitze profitieren.

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