Internationale Unternehmens(nicht)besteuerung: „Double Irish" mit „Dutch Sandwich"

04. Dezember 2013

Ein „Double Irish“ mit einem „Dutch Sandwich“? Hier geht es nicht um eine alkoholträchtige Zwischenmahlzeit, wie aufmerksame ZeitungsleserInnen spätestens nach der Diskussion rund um die mageren Steuerzahlungen des Internetunternehmens “ Google“ wissen. Es handelt sich vielmehr um eine komplexe, aber äußerst lukrative Strategie zur Steuervermeidung, für die mehrere Firmen (in Irland, in den Niederlanden sowie einer klassischen Steueroase wie den Bermudas) gegründet werden müssen.

Nicht nur Google, auch andere Konzerne wie Starbucks, Facebook, Amazon oder Ikea werden für „Steueroptimierungen“ dieser Art zum Teil heftig kritisiert. Beispielhaft zeigen die Praktiken des Rohstoff-Giganten Glencore Xstrata (künstliche Verluste durch Derivatgeschäfte in Sambia) oder des zweitgrößten Bierkonzerns der Welt SABMiller, dass auch Entwicklungsländern dringend notwendige Steuereinnahmen vorenthalten werden.  Laut IWF machen die Verluste in manchen Fällen 20 % der gesamten Steuereinnahmen aus. Reiche wie arme Länder sitzen also fast im selben Boot, nur dass das Boot der Letzteren durch die generell geringen Steuereinnahmen wesentlich mehr Löcher aufweist und die Abhängigkeit von Körperschaftssteuern größer ist.

„BEPS“, das Programm gegen schädlichen Steuerwettbewerb

Die meist legalen, aber nicht immer legitimen Steuerumgehungen von Unternehmen gibt es nicht erst seit gestern. Ermöglicht werden sie durch den Steuerwettbewerb zwischen den Staaten, der durch die Krise und den dadurch verschärften Kampf um Investitionen weiterhin anhält. Erleichtert werden sie durch ein weithin als veraltet angesehenes internationales Steuerregime, dessen Ursprünge in den 1920er Jahren liegen, als die Wirtschaft weniger global agierte und der konzerninterne Austausch noch nicht den hohen Anteil am Welthandel hatte wie heute.

Inzwischen sind die Löcher im System derart groß und der öffentliche Druck, aggressiver Steuervermeidung den Kampf anzusagen, durch die Krise derart hoch geworden, dass die OECD im Februar 2013 den G20 einen Bericht über die Ursachen und Auswirkungen von Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen („Base Erosion and Profit Shifting“, kurz BEPS) von international tätigen Unternehmen vorlegte. Aufgrund dieses Berichts erteilten die G20 der OECD den Auftrag zur Erarbeitung eines Aktionsplans, der im Juli veröffentlicht wurde.

Der Plan umfasst 15 Maßnahmen gegen BEPS, die zwischen September 2014 und Dezember 2015 umgesetzt werden sollen. Diese beziehen sich:

a) auf spezifische Teile des Systems (Maßnahmen 2 bis 10): Darunter fallen

  • die Beseitigung negativer Effekte von sog. hybriden Gestaltungen, die die unterschiedliche Besteuerung von ein und derselben Transaktion in verschiedenen Staaten nutzen,
  • die Stärkung von Vorschriften zur Hinzurechnungsbesteuerung, die verhindern sollen, dass ein Unternehmen in einem anderen Land ein verbundenes Unternehmen (controlled foreign company, CFC) gründet und über dieses Einkünfte umleitet;
  • das Verhindern, dass durch Zins- oder andere finanzielle Aufwendungen die Steuergrundlage künstlich geschmälert wird (das soll durch Änderung der Transferpreis-Richtlinien geschehen);
  • das Durchbrechen des ruinösen Steuerwettbewerbs ‚nach unten‘ durch die Veröffentlichung nationaler Präferenzsystem, also Steuerbegünstigungen und Ausnahmen, unter der (neuen) Bedingung, dass diese nur bei „substantieller Tätigkeit“ angewendet werden dürfen;
  • die Verhinderung des Missbrauchs von Doppelbesteuerungsabkommen, um Doppelnichtbesteuerung zu beseitigen;
  • die Überarbeitung der Betriebsstätten-Definition, damit ausländische Unternehmen nicht durch Kommissionärs-Strukturen der Versteuerung von Verkäufen entgehen, die eine Tochtergesellschaft tätigt (Beispiel Amazon);
  • im Fall von konzerninternen Verrechnungspreisen die Übereinstimmung zwischen diesen Preisen und der erzielten Wertschöpfung, um Einkünfte nicht in Niedrigsteuerländer verlagern zu können. Das betrifft die – ausschließlich steuerbedingte – konzerninterne Umschichtung immaterieller Güter, eine überhöhte Kapitalausstattung (durch Aufnahme von Schulden) sowie die Verschiebung von Risiken.

b) auf die Verbesserung und das Neuarrangieren des Systems (Maßnahmen 1 sowie 11 bis 15): Im Rahmen dieser Maßnahmen soll(en)

  •  die digitale Wirtschaft einer Analyse unterworfen und Lösungen zu ihrer Besteuerung entworfen werden;
  • Daten über den Umfang und die Auswirkungen von BEPS-Praktiken erhoben und analysiert werden;
  • Unternehmen aggressive Steuerplanungsmodelle offenlegen und sich nationale Steuerverwaltungen künftig besser über internationale Steuermodelle austauschen;
  • die Verrechnungspreisdokumentationen für die Steuerverwaltungen transparenter gestaltet werden (dazu sollen auch länderweise Informationen über Einkünfte, bezahlte Steuern etc. gehören);
  • Hindernisse für Schiedsverfahren bei zwischenstaatlichen Konflikten und bei Verständigungsverfahren (Mutual Agreement Procedures, MAPs) beseitigt werden;
  • ein multilaterales Instrument entwickelt werden, damit die im Rahmen des BEPS-Projektes beschlossenen und rasch umzusetzenden Maßnahmen nicht langwierig in allen bilateralen Abkommen verankert werden müssen.

Mit BEPS wird also an einer Lösung legaler Steuervermeidung gearbeitet, auch wenn einige Bereiche (Verbot von Briefkastenfirmen, länderweise Berichterstattung, Transferpreisregelungen) ebenso für die Bekämpfung von illegaler Steuerflucht, Geldwäsche und Korruption von Interesse sind.

Die OECD arbeitet mit Hochdruck an BEPS. Einige öffentliche Konsultationen wurden bereits gestartet.  WissenschaftlerInnen und NGOs fordern unter anderem eine Verbesserung des Verrechnungspreissystems, einen weiten Begriff von Betriebsstätten, länderweise öffentlich zugängliche Unternehmensberichte sowie öffentliche zentrale Register von wirtschaftlich Berechtigten an Firmen, Stiftungen und Trusts. Ebenso brauche es Missbrauchsverbote und multilaterale, entwicklungsorientierte Doppelbesteuerungsabkommen sowie Schiedsverfahren, die nicht Schadenersatzforderungen bei Steuerrechtsänderungen nach sich ziehen.

Schließlich brauche es eine bessere Einbindung der Länder des Südens. Denn die sogenannten Entwicklungsländer sind, so sie nicht den G20 angehören, zwar über einige „Globale Foren“, die Task Force on Tax and Development und indirekt über die UNO am Prozess beteiligt. Nirgends jedoch können diese Staaten wirklich am Verhandlungstisch sitzen und mitentscheiden.

Steuerwettbewerb – in der Zukunft kein Kavaliersdelikt

BEPS zielt sicherlich nicht auf eine grundlegende Änderung sondern eher auf eine umfassende Reparatur des bestehenden internationalen Steuerregimes ab. Fraglich ist, ob die angedachten Reformen ausreichen werden – weshalb NGOs auch die Prüfung alternativer Ansätze, wie etwa die Einführung einer Gesamtkonzernsteuer (unitary taxation) fordern. Sie ist eine Form der Besteuerung internationaler Konzerne in drei Schritten. Zunächst wird dabei ein Konzern als eine Einheit betrachtet und muss sämtliche Aktivitäten aller Töchter in allen Ländern offenlegen. Im zweiten Schritt wird mit Hilfe einer Formel der Gewinn des Konzerns nach den realen Aktivitäten den einzelnen Ländern zugeordnet. Im dritten Schritt wird dann der dem jeweiligen Land zugeordnete Gewinn mit dem nationalen Steuersatz belastet. Auf diese Weise ist es egal, wo die Gewinne anfallen, welche internen Verrechnungspreise der Konzern benutzt, wie viel Zinsen oder Lizenzgebühren von einem Land in das andere überwiesen werden, wo das Unternehmen investiert usw. Das Ausweisen von Gewinnen in Steueroasen, in denen die Unternehmen sonst nicht wirtschaftlich tätig sind, hätte keine Vorteile mehr.

Das Problem des Steuerwettbewerbs mit ständig sinkenden Unternehmenssteuersätzen wird durch BEPS wohl nicht gelöst. Im Aktionsplan wird ausdrücklich vermerkt, dass die Aufteilung von Besteuerungsrechten zwischen Quellen- und Ansässigkeitsstaaten nicht tangiert wird. Dazu der IWF knapp: „Tax competition can simply result in tax rates‘ ending up too low.“

Dennoch ist das Projekt als durchaus ambitioniert zu bezeichnen. Viele Maßnahmen gehen in die richtige Richtung. Letztendlich liegt es aber am politischen Willen der beteiligten Staaten, insbesondere der G20, ob den Worten und Aktionsplänen auch wirklich Taten folgen werden.

Die ungekürzte Version dieses Beitrags erscheint in wenigen Tagen in den “wirtschaftspolitik-standpunkten 4/2013“. Diese können hier abonniert werden.