Die Fehler der Troika

05. Juni 2015

Im Kampf zwischen Griechenland und seinen Gläubigers dreht sich alles darum, ob Griechenland es schaffen wird, glaubhaft nachzuweisen, dass es langfristige Strukturreformen eingeleitet hat, die es nachhaltig auf einen langfristigen Wachstumspfad zurückzubringen, so das Argument der Geberländer. Diese lägen bis heute nicht vor. Bei meinen Recherchen stieß ich auf das Gegenteil:

Der griechische Staat müsse sparen und Personal abbauen, forderten die Kreditgeber. Und Antonis Manitakis, Minister für die Reform der öffentlichen Verwaltung lieferte. 30 Jahre lang hatte der 69-jährige Jura-Professor in Montpellier, Rom und Thessaloniki Verwaltungsrecht gelehrt, bis er im Mai 2012 die größte Herausforderung seines Lebens antrat:  Als unabhängiger Fachmann übernahm er in dem – im Januar abgewählten – Kabinett der alten Garde unter dem konservativen Premier Samaras das Ministerium für die Reform der öffentlichen Verwaltung – ein Wahnsinnsjob.

Bis Frühjahr 2013 war der öffentliche Dienst von fast einer Million auf gut 700 000 Angestellte geschrumpft, weil frei werdende Stellen nicht mehr besetzt und befristete Verträge nicht verlängert wurden. „Wir schafften das vereinbarte Ziel ohne Massenentlassung“, freute sich Manitakis, und das wurde sein Problem. Denn die Troika forderte,  weitere 15000 Staatsdiener zu feuern, davon 4000 sofort. Treibende Kraft war der Däne Poul Thomsen,  Leiter der Delegation des IWF, bei dem er seit 33 Jahren krisensicher beschäftigt ist. „Thomsen wollte  Angst verbreiten, damit die anderen mehr arbeiten. Er wollte Unterwerfung und Bestrafung“, ärgert sich Manitakis noch heute. Er dagegen hatte mit den eigens entsandten Fachleuten aus den anderen Eurostaaten, der „Task Force“,  eine tatsächliche Verwaltungsreform gestartet. Alle Posten sollten nur noch nach Leistung besetzt werden. Die Unfähigen oder Korrupten sollten gehen, die Guten sollten belohnt werden, und das nach individueller Überprüfung. So hatten es ihm die Experten aus Frankreich und Deutschland geraten, um die Verwaltung arbeitsfähig zu halten.  „Ich wollte nach Recht und Gesetz vorgehen, darum bat ich um sechs Monate mehr Zeit“, erzählt Manitakis.

Doch die bekam er nicht. Stattdessen drohte Thomsen mit Kreditsperre. Das Geld werde nicht überwiesen, wenn keine Entlassungsliste vorläge. „Er hat mich einfach erpresst, immer wieder“, erzählt Manitakis – und letztlich mit Erfolg.

Um Thomsens Forderung zu erfüllen, schloss die Regierung Anfang Juni 2013 den öffentlichen Rundfunk und setzte 2656 Angestellte auf die Straße, illegal, wie der Oberste Gerichtshof feststellte. Weitere Massenentlassungen von Lehrern, Ärzten und Schulinspektoren folgten. „Das sabotierte unsere ganze Arbeit, die Falschen wurden entlassen, das Projekt war tot“, erinnert sich Manitakis, der daraufhin selbst kündigte. Die verhinderte Verwaltungsreform wird heute weiterhin von den Gläubigern eingefordert.

Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie die in den Medien veröffentlichte Darstellung  und meine Recherchen vor Ort auseinanderklafften.

Anmerkung der Redaktion: Harald Schumann wird am 15. Juni 2016 seinen Film “Macht ohne Kontrolle” in der AK-Wien vorstellen und danach mit einem hochrangigen Vertreter des österreichischen Finanzministeriums über die Politik der Geberländer und der Troika diskutieren. Die Langfassung zu diesem Kommentar finden Sie unter: http://www.tagesspiegel.de/politik/eurokrise-die-troika-macht-ohne-kontrolle/11406286.html