Das System der Kollektivvertragsverhandlungen ist in den Grundprinzipien seit Jahrzehnten unverändert. In Österreich haben 98 Prozent der unselbstständig Beschäftigten einen Kollektivvertrag. Das ist ein Spitzenwert in Europa. In Deutschland, das noch in den 1990er-Jahren ein ähnliches System hatte, haben weniger als 60 Prozent der Beschäftigten Kollektivverträge. Das führte zum Entstehen eines Niedriglohnsektors und massiver gesellschaftlicher Spaltung. Erst mit der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes zum 1. Jänner 2015 konnte eine Lohnuntergrenze gefunden werden, die allerdings nach wie vor unter dem in Österreich durch Kollektivverträge garantierten Niveau liegt. Zudem regeln Kollektivverträge Mindestlöhnen für alle Qualifikationsstufen und Branchen und nicht nur ein gesamtwirtschaftliches Mindestniveau. weiterlesen
Gegenwärtig wird in der EU intensiv über eine verbesserte Koordination der Wirtschaftspolitik diskutiert. Zu kurz kommt in diesem Diskurs allerdings die Bedeutung einer national und transnational koordinierten, produktivitätsorientierten Lohnpolitik, die ein wichtiger Eckpfeiler eines nachhaltigen und inklusiven wirtschaftlichen Entwicklungsmodells für Europa ist. Gefragt sind v. a. eine Wiederherstellung bzw. Stärkung von Branchenkollektivvertragssystemen, Allgemeinverbindlichkeitsregelungen und eine europaweit koordinierte Mindestlohnpolitik. weiterlesen
In Deutschland sind es vor allem drei Bereiche, die in der kapitalistischen Marktwirtschaft die Rechte der ArbeitnehmerInnen sichern sollen: (1.) das Arbeitsrecht als Schutzrecht gegenüber Ausbeutung und Willkür seitens der ArbeitgeberInnenseite, (2.) das selbstverwaltete und solidarische Sicherungssystem und (3.) das Koalitionsrecht bzw. die Tarifautonomie, also das Recht zum Abschluss von Tarif- bzw. auf gut Österreichisch Kollektivverträgen. Letzteres wurde im Namen des Standorts in den letzten 20 Jahren ausgehöhlt – zum Nachteil vieler Beschäftigter in Deutschland. weiterlesen
In der EU ist derzeit eine Sichtweise auf Löhne und Kollektivvertragssysteme vorherrschend, die diese einseitig als Problem für die Wettbewerbsfähigkeit definiert. Diese Sichtweise führte zu einem neuen "lohnpolitischen Interventionismus", der sich negativ auf die Arbeitsbeziehungen als auch den Verlauf der wirtschaftlichen und sozialen Krise auswirkte. Gefragt ist ein Kurswechsel hin zu einer expansiven und solidarischen Lohnpolitik in Europa. weiterlesen