Mehr Bildung + mehr Arbeit ≠ mehr Geld

29. April 2014

Frauen sind immer besser ausgebildet. Sie haben im letzten Jahrzehnt mit den Männern gleichgezogen, ab Maturaniveau haben sie sie sogar überholt. Das spiegelt sich aber nur unzureichend in den Berufschancen wider.

“Einen großen Sprung vorwärts” könnte man in einer Paraphrase auf Mao die Entwicklung nennen, die Frauen in Sachen Bildung in den letzten drei Jahreszehnten gemachten haben. Das zeigt eine neue Studie der Arbeiterkammer. Am unteren Ende der Qualifikationsskala ist der Anteil von Frauen mit  höchstens Pflichtschulabschluss von der Hälfte auf nunmehr ein Fünftel zusammengeschrumpft. Auf der anderen Seite haben Frauen bei der höheren Bildung die Männer hinter sich gelassen:  Der Anteil der Maturantinnen hat sich in 30 Jahren auf 19 % mehr als verdoppelt, der Anteil der HochschulabsolventInnen auf 16 % sogar vervierfacht ! Von den Männern können dagegen “nur” 15 % Matura und weitere 14 % einen Hochschulabschluss vorweisen. Allerdings bleibt die Lehre bleibt weiterhin eine Männerdomäne: Knapp die Hälfte der Männer, aber weniger als ein Drittel der Frauen verfügen über einen Lehrabschluss. Das wird sich auch künftig nicht ändern, denn nur ein Drittel aller Lehrstellen wird mit Mädchen besetzt.

Die gut gebildeteten Frauen drängen auch deutlich stärker auf den Arbeitsmarkt, als das ihre Mütter und Großmütter getan haben – während sich bei den Männern in diesem Punkt wenig verändert hat. Damit hat sich der Abstand in der Erwerbstätigenquote von 35 % auf weniger als ein Drittel davon verringert (11%). Heute sind 88 % der Männer und 67 % der Frauen im Erwerbsalter erwerbstätig.

Frauen im Dienste der Dienst-Leistung und Teil-Zeit

Oberflächlich betrachtet ist und bleibt der Dienstleistungssektor seit vielen Jahren der wichtigste Beschäftigungsbereich für Frauen.  Bei genauerer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass es innerhalb des Sektors bemerkenswerte Verschiebungen gab. So war vor dreißig Jahren ein Drittel im Bereich der “einfachen” Dienstleistungen („Grundversorgung“ wie z.B. Handel, Beherbergungs- und Gaststättenwesen) und ein eben so hoher Anteil bei wissensbasierten Dienstleistungen (wie öffentliche und private Verwaltung, Forschung oder Management) beschäftigt. 2010 zeigt sich ein deutlich anderes Bild: Mehr als jede zweite Frau ist dem Bereich der wissensbasierten Dienstleistungen zuzuordnen. Diese sind damit eindeutig zum wichtigsten Beschäftigungsbereich geworden.

Der Anstieg bei Zahl von erwerbstätigen Frauen war nicht von einem gleich hohen Zuwachs bei den Arbeitsstunden begleitet. Es gab daher einen enormen Anstieg der Teilzeitquote zu verzeichnen. War 1981 nur 16 % der Frauen in Teilzeit beschäftigt, so verdreifachte sich dieser Anteil bis 2012 auf 45 %. In absoluten Zahlen sind das über 870.000 weibliche Teilzeitbeschäftigte. Frauen mit Betreuungspflichten arbeiten zum ganz überwiegenden Teil in dieser Beschäftigungsform: Sieben von zehn Frauen mit Kindern unter 15 Jahren sind in Teilzeit beschäftigt. Bei den Männern bleibt es ein Programm für eine kleine Minderheit von 9 %.

Typisch Frauen – typisch Mann

Bei dem Bildungsniveau haben Frauen die Männer ein- und zum Teil sogar überholt. Wesentlich weniger verändert hat sich hingegen bei der Wahl der Ausbildungswege. Noch immer suchen sich junge Menschen Fachrichtungen aus, die “typisch” für das jeweilige Geschlecht sind. Acht von zehn SchülerInnen in wirtschafts- und sozialberuflichen Schulen sind Mädchen. Umgekehrt ist fast ein gleich hoher Anteil an technisch gewerblichen Schulen (HTLs) männlich.

Nachdem am Arbeitsmarkt weiblich konnotierte Beschäftigungen  schlechter entlohnt werden, schlägt sich das in deutlich geringeren Einkommenschancen für Frauen nieder. So ist Handel der von Frauen am häufigsten gewählte Lehrberuf. Hier verdienen aber nur 3 % der Frauen nach Ende der Ausbildung zumindest 1.800 Euro brutto. Anders die jungen Männer: Bei einem „typischen“ Lehrabschluss in Maschinenbau und Metallverarbeitung geht mehr als die Hälfte beim ersten Job mit einem Lohn von 1.800 Euro oder mehr nach Hause.

Top gebildet – Top-Job?

Zweifellos ist ein schulischer oder beruflicher Abschluss ein Vorteil am Arbeitsmarkt – aber leider keine Garantie für einen adäqaten Job. Nur zwei Drittel der Erwerbspersonen sind im Jahr 2010 „bildungsadäquat“ beschäftigt – das  sind 2,5 Mio. von etwa 4 Mio. Erwerbspersonen. Mehr als ein Fünftel (22 %) sind unter ihrem Bildungs- bzw. Qualifikationsniveau beschäftigt. Bei MigrantInnen stehen die Chancen auf eine adäquate Tätigkeit noch schlechter: Hier sind sogar ein Drittel in einem Job unter ihrem Bildungsniveau.

Auf der Gesamtebene betrachtet trifft das für Frauen und Männer im gleichen Ausmaß zu. Allerdings zeigen sich wesentliche Unterschiede nach Abschluss.

Mit einem mittleren Abschluss finden Frauen häufiger als Männer eine Beschäftigung entsprechend ihrem Ausbildungsniveau. So finden sich Absolventinnen einer Berufsbildenden Mittleren Schule (BMS) nur zu 9 % in einer Tätigkeit unter ihrer formalen Qualifikation, während das für 20 % der Absolventen der Fall ist. Auch Frauen mit Lehrabschluss werden deutlich weniger oft unter ihrem Ausbildungsniveau eingesetzt (17 % vs. Männer 24 %). Dieser Befund ist jedoch mit Vorsicht zu genießen: Frauen haben nur etwa halb so oft einen Lehrabschluss und sind aufgrund der geschlechterstereotypen Lehrstellenwahl sehr stark in den Dienstleistungsberufen Einzelhandel, Friseurin, Gastronomie zu finden. Eine Tätigkeit, die ein höheres Ausbildungsniveau erfordert, geht bei Frauen daher nicht automatisch mit einem höheren Entgelt einher: So verdienen Frauen, die einen Lehrabschluss haben und in ihrem Beruf arbeiten, wie etwa eine ausgebildete Einzelhandelskauffrau, 9,50 Euro brutto in der Stunde, während ein un- oder angelernter Hilfsarbeiter durchschnittlich einen Stundenlohn von 10,30 Euro erhält (Statistik Austria, Verdienststrukturerhebung 2010).

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Quelle: Hauer et al: Frauen – Bildung – Arbeitsmarkt, AK Wien 2014

Für MaturantInnen beiderlei Geschlechts ist es am schwierigsten eine ihrer Ausbildung entsprechende Arbeitsstelle zu finden. Frauen mit Matura müssen sich mehrheitlich (!) mit einer Beschäftigung begnügen, die nicht ihrem Qualifikationsniveau entspricht: Sowohl für je rund 57 % der AHS- als auch BHS-Absolventinnen ist das der Fall. Männer mit einem AHS-Abschluss sind dahingegen mit 48 % zwar stark, aber nicht in dem Ausmaß davon betroffen. Jene mit einer BHS-Matura betrifft das nur zu 30 % – was die größere Nachfrage am Arbeitsmarkt nach technischen Ausbildungen widerspiegelt.

Arbeitsplätze, die formal eine akademische Ausbildung verlangen, werden zu 85 % auch mit einer Person mit entsprechendem Abschluss besetzt. Das trifft ebenso für technische und gleichrangige nicht-technische Berufe zu.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Quelle: Hauer et al: Frauen – Bildung – Arbeitsmarkt, AK Wien 2014

Umgekehrt ist ein nicht geringer Anteil von Beschäftigten mit einem hohen Ausbildungsniveau in einer Tätigkeit mit geringeren formalen Anforderungen zu finden, was daran liegt, dass diese Berufe die Spitze der Karrierepyramide darstellen. Auch AkademikerInnen sind für bestimmte Phasen damit konfrontiert, dass sie gerade keinen adäquaten Arbeitsplatz finden und sie daher „nach unten“ ausweichen müssen. Frauen sind von diesem Phänomen besonders betroffen: Mehr als ein Drittel (35 %) hatte 2010 eine Arbeitsstelle unter Uni-Niveau, bei den Männern war es ein Viertel (26 %) und damit deutlich weniger.

Dennoch lohnt sich die höhere Ausbildung, denn AbsolventInnen einer Hoch- oder Fachhochschule haben quer über alle Tätigkeiten die höchsten Einkommen. Frauen profitieren allerdings nicht im gleichen Ausmaß davon, denn der Abstand zu den Männern ist in dieser Stufe besonders hoch (‑25 %). Dennoch verdienen sie mehr als ihre Geschlechtsgenossinnen auf allen anderen Ausbildungsstufen.

Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass beim formalen Bildungsniveau die Gleichstellung von Frauen und Männer de facto erreicht wurde. Bei den Ausbildungswegen ist das allerdings nicht der Fall und am Arbeitsmarkt selbst kann davon auch noch keine Rede sein. Die Ursachen dafür sind vielfältig und liegen auch in den Bildungswegen und der Verwertbarkeit der Abschlüsse begründet. Aber ebenso große Bedeutung haben traditionelle Rollenbilder, die ungleiche Verteilung von unbezahlter Haus- und Versorgungsarbeit und die viel schlechtere Bewertung typisch weiblicher Berufe – die sich keineswegs durch objektive Faktoren erklären lässt.

Für wirkliche Gleichstellung wird es also noch jede Menge Anstregung und konkrete Maßnahmen im Bildungs-, Beschäftigungs- und Sozialbereich brauchen. Ein guter Grund, schnell damit anzufangen.

Details zur Studie finden sie hier.