Inflationsschutz und Wohlstandsteilhabe

19. September 2022

Die Einkommenslage der lohnabhängig Beschäftigten ist düster. Die Teuerungswelle frisst nominelle Einkommenszuwächse weg. Dabei gab es bereits in den letzten zwei Jahrzehnten unterm Strich kaum einen Kaufkraftzuwachs bei den Löhnen. Eine nachhaltige Kollektivvertragspolitik kombiniert mit preisdämpfenden und gewinnabschöpfenden Maßnahmen der Politik ist der beste Inflationsschutz.

Reallohnverluste in der gesamten EU

EU-weit ist heuer mit einem preisbereinigten Lohnverlust von 2,9 Prozent zu rechnen. Österreichs Minus wird vom WSI auf rund vier Prozent geschätzt. Ähnlich prognostiziert das WIFO wegen der massiven Teuerungswelle einen realen Bruttolohnverlust von fast vier Prozent, der auch durch einkommensteuerliche Maßnahmen netto nicht mehr wettgemacht wird.

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2000 bis 2020 kaum Kaufkraftzuwachs

In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich das Median-Einkommen in Österreich brutto und preisbereinigt gerade einmal um einen halben Prozentpunkt erhöht, verursacht insbesondere durch Teilzeitanstieg und mehr niedrig entlohnte Jobs. Durch positive Kaufkrafteffekte der beiden Steuerreformen 2009 und 2016 bleibt unterm Strich netto und real ein kleiner Zuwachs von 2,8 Prozent.

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Teuerungsbedingte Einkommenseinbußen

Zur Jahresmitte 2022 hat laut Statistik Austria mehr als ein Drittel der österreichischen Haushalte mit Einkommensverlusten in den letzten zwölf Monaten zu kämpfen, bereits zu mehr als einem Viertel hauptverursacht durch die Inflation, gefolgt von geringerer Arbeitszeit (inkl. Kurzarbeit).

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Rekord-Gewinnausschüttungen

Anders die Einkommenslage für Unternehmenseigner:innen. Statt nachhaltig zu investieren oder die Arbeitenden besser zu entlohnen, haben sich die Aktionär:innen der börsennotierten Unternehmen Österreichs bereits 2021 eine Rekorddividende von 3,53 Milliarden Euro auszahlen lassen. Heuer wird die Gewinnausschüttung mit 3,39 Milliarden Euro ähnlich hoch liegen (AK Wien, 18 Unternehmen). Europaweit kassierten die Aktionär:innen 2021 rund 202 Milliarden Euro, um ein Viertel mehr als 2020. Und die weltweiten Gewinnausschüttungen 2021 waren schwindelerregende rund 1,5 Billionen US-Dollar (umgerechnet 1,3 Billionen Euro) schwer.

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Gewinne sind Inflationstreiber

Die Folgen des Ukraine-Krieges bzw. die damit verbundenen Sanktionen, die Null-Covid-Politik Chinas, spekulative Auswüchse auf Energiebörsen und die Preispolitik der Unternehmen resultierten in einer Verknappung fossiler Brennstoffe (Öl, Gas, Kohle), Engpässen bei globalen Lieferketten und nicht zuletzt in steigenden Unternehmensgewinnen und Dividenden. Das sind die aktuellen Preistreiber. Unternehmen haben vielfach über die eigentlichen Kosten(anstiege) hinaus ihre Verkaufspreise – und somit ihre Gewinnaufschläge – erhöht. Deswegen, so das Fazit der Direktorin der Europäischen Zentralbank Isabel Schnabel, haben „viele Unternehmen im Euroraum, wenn auch keineswegs alle, vom jüngsten Inflationsschub profitiert“.

Kollektivvertrag = Inflationsschutz und Wohlstandsteilhabe

Es ist inakzeptabel, dass die Arbeitnehmer:innen für die gesamte Teuerungswelle aufkommen müssen! Besonders hart ist es für Menschen mit niedrigen Einkommen. Denn sie müssen einen sehr hohen Anteil ihres Einkommens für Produkte ausgeben, die sich extrem verteuert haben. Sie können der Teuerung nicht ausweichen. Ein wichtiger Schritt wäre die Erreichung des neuen gewerkschaftlichen Mindestlohn- und Gehaltsziels einer kollektivvertraglichen Lohnuntergrenze von 2.000 Euro brutto in allen Branchen (ÖGB).

Der beste Inflationsschutz und Garant für Wohlstandsteilhabe ist eine nachhaltige, kaufkraftstärkende Kollektivvertragspolitik. Das kann gelingen: „Wir werden einen Reallohnzuwachs verhandeln“, ist PRO-GE-Vorsitzender Rainer Wimmer überzeugt. Zudem braucht es preisdämpfende und preisstabilisierende Maßnahmen wie wirksame Preisobergrenzen bzw. Preisregulierungen und eine „Anti-Teuerungs-Kommission mit Biss“. Dadurch und mit steuerlicher Abschöpfung der Übergewinne kann der „grotesken Gier“ (UN-Sekretär António Guterres) ein bisschen Gerechtigkeitssand ins Profit-Getriebe gestreut werden. Denn „das Bestreiten des täglichen Lebens darf nicht zum Luxus werden“, fordert vida-Chef Roman Hebenstreit.

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