Förderung von Frauen am Arbeitsmarkt

20. September 2017

Trotz des Aufschwungs bleiben viele Probleme für Frauen am Arbeitsmarkt weiterhin bestehen, wie der neue Gleichstellungsbericht des AMS zeigt: Eine extrem hohe Teilzeitquote und nach wie vor hohe Werte bei der Erwerbslosigkeit prägen das Bild. Vor allem Frauen mit Migrationshintergrund sind davon stark betroffen. Gute Gründe, in der Politik des AMS das Gleichstellungsziel weiterhin mit Vehemenz zu verfolgen.

2016 befand sich der Arbeitsmarkt trotz eines leichten Anstiegs der Beschäftigung in einer angespannten Situation: Die Erwerbsarbeitslosenquote ist mit 9,1 % im Vergleich zum Vorjahr zwar nicht weiter angestiegen, dennoch waren 2016 im Vergleich zum Vorjahr fast 10.000 Menschen mehr betroffen, insgesamt nämlich fast eine Million Menschen im Laufe von 2016. (Der Frauenanteil lag hier im Vergleich zum Vorjahr im Wesentlichen unverändert bei 43 % und damit unter dem Anteil an beschäftigten Frauen von 47 %.) Differenziert nach Geschlecht beträgt die Erwerbsarbeitslosenquote von Frauen 8,3 % und die von Männern 9,7 %.

Betrachtet man die Erwerbsarbeitslosenquote nach Geschlecht und Migrationshintergrund, stellt man fest, dass diese bei Frauen und Männern mit Migrationshintergrund mit etwas über 15 % annähernd gleich hoch ist. Damit sind Personen mit Migrationshintergrund besonders stark betroffen, vor allem Frauen dieser Gruppe: Sie sind doppelt so häufig arbeitslos (15,2 %) wie Frauen ohne Migrationshintergrund (6,3 %). Dies zeigt, dass die Merkmale Geschlecht und ethnische Herkunft am Arbeitsmarkt doppelt diskriminierend wirken und dass diese Gruppe besondere Förderung benötigt, um am Arbeitsmarkt partizipieren zu können.

Teilzeitarbeit und prekäre Beschäftigungsverhältnisse

Die Frauenbeschäftigungsquote liegt mit 68 % im Vergleich zum EU-28-Durchschnitt von 61 % recht hoch. In Verbindung mit der Erwerbsarbeitslosenquote, die unter jener der Männer liegt, sind Frauen scheinbar weniger von der krisenhaften Entwicklung betroffen. Tatsächlich treffen sie die Auswirkungen jedoch anders. Beispielsweise durch den steigenden Anteil an atypischer Beschäftigung: Die Frauenbeschäftigung vor allem aufgrund von hoher Teilzeitbeschäftigung: 47 % aller unselbstständig erwerbstätigen Frauen arbeiteten 2016 in Teilzeit (Männer: 12 %). Teilzeitarbeit garantiert Frauen aber in den seltensten Fällen ein eigenständiges existenzsicherndes Auskommen und führt im Alter dazu, dass Frauen deutlich weniger Pension erhalten. Zudem stieg die Zahl der Teilzeitstellen in den letzten zehn Jahren kontinuierlich an. 2016 gab es um 371.300 mehr Teilzeitbeschäftigte und um 23.000 mehr Vollzeitbeschäftigte als vor zehn Jahren. Darüber hinaus waren im Jahresdurchschnitt 2016 laut Sozialversicherungsdaten zwei Drittel der geringfügig Beschäftigten Frauen.

Bildungs- und Altersstruktur

Generell kann festgehalten werden, dass je höher der Bildungsgrad ist, desto weniger Betroffenheit durch Erwerbsarbeitslosigkeit vorherrscht. Fast die Hälfte aller beim AMS als erwerbsarbeitslos gemeldeten Personen hatte 2016 maximal einen Pflichtschulabschluss (Frauen 45,7 %; Männer 44,7 %). Im Vergleich zum Anteil der Personen mit Pflichtschulabschluss in der österreichischen Bevölkerung (19,1 %; Statistik Austria) war der Anteil an erwerbsarbeitslos gemeldeten Personen mit maximal Pflichtschulabschluss somit besonders hoch. Differenziert nach Bildungsabschluss ist auffallend, dass beim AMS gemeldete Frauen im Vergleich zu den Männern weitaus seltener einen Lehrabschluss (25,9 % zu 37,2 %) haben. Das zeigt, dass es hier weiterhin gezielte Qualifizierung für Frauen braucht. Umgekehrt besitzen Frauen im Vergleich zu den Männern öfter einen akademischen Abschluss (8,5 % zu 5,4 %). Das heißt, dass es bei Frauen zu einer stärken Polarisierung des Bildungsniveaus kommt.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Die starke Polarisierung bei den Bildungsniveaus kommt bei erwerbsarbeitslosen Frauen mit Migrationshintergrund noch stärker zu tragen: Fast zwei Drittel der Frauen mit Migrationshintergrund hatten keine über die Pflichtschule hinausgehende Ausbildung. Auf der anderen Seite hatten nur 7,8 % der Frauen mit Migrationshintergrund einen akademischen Hintergrund. Interessant ist der Umstand, dass Frauen, die keinen Migrationshintergrund haben, öfter einen Lehrabschluss besitzen (35,3 %). Dies könnte mit dem Umstand in Zusammenhang stehen, dass Personen mit Migrationshintergrund aus Ländern kommen, die kein duales Ausbildungssystem haben. Frauen mit Migrationshintergrund benötigen daher noch gezieltere Qualifzierungsangebote und Empowerment.

Auch beim Alter gilt folgende Feststellung: Je älter man ist, desto länger ist man von Erwerbsarbeitslosigkeit betroffen: Während junge Menschen unter 25 Jahren nur durchschnittlich 73 Tage erwerbsarbeitslos sind, sind ältere Menschen durchschnittlich 161 Tage erwerbsarbeitslos. Während junge Frauen und Männer noch gleich lange erwerbsarbeitslos sind, verweilen ältere Männer (166 Tage) länger in Erwerbsarbeitslosigkeit als Frauen (154 Tage), was vermutlich auf das unterschiedliche Pensionsantrittsalter bei Frauen und Männern zurückzuführen ist.

Gender Gaps beim Arbeitslosengeld und der Notstandshilfe

Auch beim Arbeitslosengeld und der Notstandshilfe setzten sich die Ungleichheiten – in dem Fall bei den Einkommensunterschieden, die bereits im Erwerbsleben zum Tragen kommen – zwischen Frauen und Männern fort. Gründe für geschlechtsspezifische Unterschiede sind u. a., dass Männer durchschnittlich in besser entlohnten Bereichen als Frauen arbeiten; dass Frauen für gleichwertige Arbeit weniger Lohn bekommen; dass Männer höhere Aufstiegschancen als Frauen haben; dass Frauen weitaus häufiger teilzeitbeschäftigt sind als Männer, da Frauen ihre Arbeitszeit ohne Lohnausgleich verkürzen, um unbezahlte Reproduktionsarbeit zu leisten und ihren Erwerbsverlauf weitaus häufiger und länger für die Elternkarenz unterbrechen.

Wie sich die Verschränkung von Geschlecht und ethnischer Herkunft auf passive Leistungen des AMS auswirkt, wird in der folgenden Grafik sichtbar. Männer ohne Migrationshintergrund erhalten mit 34,6 Euro den höchsten Tagessatz beim Arbeitslosengeld. Im Vergleich dazu erhalten Männer mit Migrationshintergrund 8,4 % weniger Arbeitslosengeld (31,7 Euro). Der Gap zum höchsten Tagsatz wächst bei Frauen ohne Migrationshintergrund auf 18,2 % an und erreicht bei Frauen mit Migrationshintergrund 23,1 %. Das sind acht Euro weniger pro Tag, die jene Frauen durchschnittlich zur Verfügung haben. Insgesamt wirkt sich die Kategorie „Frau“ stärker auf die Höhe des Leistungsbezuges aus und verschärft sich in der Kombination mit der Kategorie „Migrationshintergrund“.

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Höhe des Arbeitslosengeldes (ALG) und Notstandshilfe (NH) (Tagsatzhöhe in Euro) nach Geschlecht und Migrationshintergrund (1. Gen.), inklusive Gap zum Bezug von Männern ohne Migrationshintergrund

Existenzielle Notlage aufgrund der Anrechnung des PartnerInneneinkommens bei der Notstandshilfe

Bei der Notstandshilfe wird das PartnerInneneinkommen mitberücksichtigt – verdient dieser zuviel, wird der Antrag abgelehnt. Von ablehnenden Bescheiden mangels Notlage sind zum ganz überwiegenden Teil Frauen betroffen, nämlich 80 %. Das erhöht die ökonomische Abhängigkeit der Frauen zu ihren PartnerInnen. Gerade von Gewalt betroffene Frauen sind oft in ökonomisch äußerst prekären Situationen. Laut dem Jahresbericht des Vereins „Autonome Österreichische Frauenhäuser“ sind 26 % der Bewohnerinnen der Frauenhäuser ohne Einkommen, 21 % beziehen Arbeitslosengeld/Notstandshilfe oder die bedarfsorientierte Mindestsicherung, 14 % beziehen Kinderbetreuungsgeld und 21 % der Bewohnerinnen beziehen Einkommen aus einer unselbstständigen Beschäftigung (nicht differenziert nach Voll- und Teilzeit).

Gleichstellung am Arbeitsmarkt als klar formuliertes Ziel beim AMS

Die Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt ist ein klar formuliertes gesetzliches Ziel des AMS. Um es zu erreichen, hat sich das AMS in der aktiven Arbeitsmarktförderung zu Gender Budgeting verpflichtet.

Die von der Regierung ins Leben gerufenen Programme für Ältere 50+, die Ausbildungspflicht bis 18 und Ausbildungsgarantie bis 25, ebenso wie das Integrationsjahr für Asylberechtigte sind notwendige und wichtige Vorgaben. Trotz einer sich langsam erholenden Wirtschaftslage wirken sich diese Programme negativ auf die Erreichung des Frauen-Budgetzieles aus, da es in diesen Programmen einen deutlichen Männerüberhang gibt.

Mit einem Jahresergebnis von 46,5 % konnte das Ziel der 50 %-Marke zum wiederholten Mal nicht erfüllt werden. Für die kommenden Jahre wird es daher größter Anstrengung bedürfen, um das Ziel des Ausgleichs zwischen Frauen und Männern am Arbeitsmarkt zu erreichen.

Trotz der Nichterfüllung des Gender-Budgeting-Ziels haben Frauen nach wie vor einen im Schnitt höheren Zugang zu AMS-Förderungen. Die sogenannte Förderquote „Anzahl der AMS-Förderungen durch die von Erwerbsarbeitslosigkeit betroffenen Personen“ lag 2016 bei Frauen mit 39,1 % deutlich über jener von Männern mit 31,1 %. Frauen mit Migrationshintergrund erreichten mit 43,6 % eine noch höhere Förderquote (Männer mit Migrationshintergrund 35,9 %). Dadurch unterstützt das AMS insbesondere auch jene Frauen, welche aufgrund der Diskriminierungen des Geschlechts und der Herkunft stärkeren Benachteiligungen am Arbeitsmarkt ausgesetzt sind.

Diskriminierungen ausgleichen: Das arbeitsmarktpolitische Frauenprogramm

Das AMS setzt mit frauenspezifischen Angeboten einen Schwerpunkt, um die im längerfristigen Plan des AMS gesetzten Gleichstellungsziele zu erreichen.

Die Gleichstellungsziele des AMS sind die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen, die Reduktion der Frauenarbeitslosigkeit und des Einkommensunterschiedes, gleicher Zugang zu allen Berufen und Positionen mit dem Ziel einer existenzsichernden Beschäftigung.