Wir brauchen breite Zuversicht statt einseitiger Klientelpolitik

09. Februar 2016

Dynamische Beschäftigungsentwicklung, Investitionen, Einkommen und Wohlstand haben viel mit einer zuversichtlichen Stimmung zu tun. Fällt ein Land bzw fallen seine EinwohnerInnen in breiter Front in eine depressive Stimmung, wird dies wohl kaum jemals von gleichzeitiger wirtschaftlicher Prosperität begleitet sein. Günstiger Begleitumstand für einen Wirtschaftsaufschwung wäre eine weit verbreitete optimistische Stimmung also allemal. Daher ein Aspekt, den durchaus auch WirtschaftspolitikerInnen beachten sollten.

Keine falsche Lobhudelei

Keine falsche Lobhudelei selbstverständlich – das ist schnell durchschaut, ärgert und bewirkt das Gegenteil. Es geht um seriöse Analysen und Darstellungen – und glaubhafte Strategien, wie man diagnostizierte Probleme zum Besseren wenden wird. So kann wirtschaftliche Zuversicht hinsichtlich des eigenen Wohlstands geschaffen werden. Und die positiven Effekte folgen auf dem Fuß. Ein Puzzlestein in diese Richtung hätte der Regierung mit der Steuerreform gelingen können. Die Steuersenkungen werden die real verfügbaren Einkommen – und damit die Konsumausgaben – der Bevölkerung merkbar steigern und damit auch die Umsätze und potenziell die Stimmung der Unternehmen. Mit der Konzentration der WirtschaftsvertreterInnen auf die „Belastung“ durch eine fälschungssichere Buchhaltung zur Vermeidung von Steuerhinterziehung, deren einmalige Kosten weit geringer sind als die direkte laufende Steuerersparnis für korrekt versteuernde UnternehmerInnen, blieb dieses Potenzial jedoch unausgeschöpft. 

Aus Nebenfragen werden nationale Tragödien

Zu schlechter Stimmung führt hingegen das Hochstilisieren von Nebenfragen (die im Einzelfall ja durchaus lästig sein können) zu nationalen Tragödien.

Beispielsweise wird seit sehr vielen Jahren, sowohl auf EU-Ebene als auch von einigen Seiten auf nationaler Ebene (WKO, Agenda Austria, …), darauf hingewiesen, wie schädlich für Österreich diese unendlich langen bürokratischen Prozesse sind, bis man schließlich den Gründungsvorgang eines Unternehmens abgeschlossen hat. Um diese fürchterliche Situation zu bereinigen wäre eine radikale Verkürzung anzustreben, sagt man. Wie lange es derzeit dauert? Neun Tage! Neun Tage bis zum Abschluss einer (hoffentlich!) viele Monate dauernden sorgfältigen Planung und Vorbereitung eines derart wichtigen persönlichen Schrittes von GründerInnen. Ob durch zB eine Halbierung wirklich ein enormer wirtschaftlicher Auftrieb für Österreich zu erwarten wäre? Zur schlechten Stimmung trägt die Hochstilisierung allemal bei.

„Lobbyismus in Nadelstreif und Sportgewand“

Irritierend ist auch, wenn manche WirtschaftspolitikerInnen und rund um sie sogenannte „unabhängige“ Forschungsinstitute versuchen, anhand von Rankings eine dramatische Situation Österreichs darzustellen. In Wirklichkeit sind diese Rankings (etwa des IMD oder WEF) nichts anderes als eine irgendwie gewichtete Zusammenfassung von unterschiedlichsten Statistiken, massiv vermanscht mit den Befragungsergebnissen und subjektiven Befindlichkeiten von einigen Dutzend Managern (ja, meist wohl Männer) zur Situation im eigenen Land.

Wenn man dazu noch einkalkuliert, dass Managements soziale Errungenschaften mitunter als Belastung einstufen ist es kein Wunder, wenn sich Österreich bei diesen „Vergleichen“ dabei mitunter in der Nähe von zB Katar wiederfindet. Was soll daraus für eine seriöse Wirtschaftspolitik gelernt werden? Was tragen solche gehypte Meldungen zu einer positiven Stimmung bei? Eine unseriöse Vorgangsweise, bei der sich der Verdacht regt, dass in Wirklichkeit bestimmte Interessen unterstützt werden sollen.

Was sagt die Statistik?

Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit lässt sich wohl am seriösesten über unzweifelhafte statistische Daten einschätzen. Sieht man sich diese an, steht Österreich im europäischen Vergleich schlicht und einfach sehr gut da. Die Arbeitslosigkeit war lange Zeit so niedrig wie in keinem andern EU-Land und liegt auch heute im Spitzenfeld. Das BIP pro Kopf zu Kaufrkraftparitäten liegt laufend im Spitzenbereich der EU – zu Beginn der Finanzkrise 2008 um 23% über dem EU-Schnitt, 2014 um 28%. Von einem Zurückfallen und einem Schreckensszenario kann da wohl nicht die Rede sein – jene, die Zuversicht säen wollen, sollten daher eher Statistiken bemühen, nicht Rankings aus Managerbefragungen.

Wie entscheiden die Unternehmen?

Auf wie schwachen Beinen die Rede von einer schlechten Position Österreichs steht zeigen ja schon die tatsächlichem Handlungen von Firmenmanagements. Wie erst jüngst der österreichische Wirtschaftsminister feststellte, gab es im abgelaufenen Jahr mit knapp 300 Unternehmen die absolut höchste Anzahl an Betriebsansiedlungen seit es die ABA, die österreichische „Betriebsansiedlungsagentur“, gibt. Das Investitionsvolumen daraus ist gegenüber dem Jahr davor um ganze 34% angestiegen. Demgegenüber kann man Verlagerungen bedeutender Unternehmensteile von Österreich ins Ausland meist an ein, zwei Händen abzählen.

Allein aus den letzten Tagen kann man schon zwei weitere anekdotische Evidenzen für die Attraktivität Österreichs hinzufügen. Zum einen wurde der Bau einer neuen Produktionsanlage in Wien für 400 neue Arbeitsplätze von Boehringer-Ingelheim bekannt gegeben. Zum anderen siedelt ein weltweit führender Hersteller von Kletter-, Ski- und Bergsportausrüstung (Black Diamond) „…wegen erwarteter zentraler Wettbewerbsvorteile“ (Zitat) sein europäisches Headquarter von der Schweiz nach Österreich um. Solche realen Entwicklungen sollten ebenfalls zu mehr Zuversicht beitragen als subjektive Befindlichkeiten und weisen jedenfalls sicher nicht auf einen unattraktiven Wirtschaftsstandort hin.

voodoo economics

Wenn man Zuversicht schaffen will, sollte man auch davon absehen, Zustände absichtlich (vielleicht auch mangels besseren Wissens?) schlechter darzustellen, als sie wirklich sind. Und auf der anderen Seite nicht gleichzeitig Vorschläge pamphletartig als Allheilmittel zu preisen, die sie gar nicht sind bzw sogar negative Folgen für die meisten Menschen hätten. Es verwirrt nur und trägt nicht zur Zuversicht bei, wenn in solchen Schriftstücken (Agenda Austria: „Das beste Konjunkturprogramm heißt Zuversicht“) ökonomische Termini völlig falsch verwendet werden, Daten nicht stimmen, oder längst überholte Literatur verwendet wird.

Im Folgenden ein paar Beispiel dazu:

Wenn beharrlich die Begriffe Beschäftigungsschwelle und Arbeitslosenschwelle synonym verwendet werden. Obwohl beide Konzepte Unterschiedliches erklären und sich in ganz andere Richtungen entwickeln (Beschäftigungsschwelle sinkt, Arbeitslosigkeitsschwelle steigt).

Oder die verwendete Literatur zu Budgetkonsolidierungseffekten so veraltet ist, dass selbst der IWF sich davon abgewendet und seine Position radikal gewandelt hat.

Wer ein wirtschaftspolitisches Konzept favorisiert, bei welchem das Senken von Steuern und Abgaben ganz zentral ist – und ohne Wenn und Aber durchzuführen ist – spricht sich für massive Leistungsreduktionen mit insgesamt grob negativen makroökonomischen Auswirkungen – und damit noch viel schlechteren Wirtschaftsbedingungen – aus.

Auch nur anzudenken, Löhne einseitig nach unten flexibel senken zu können, wird wohl auf der Seite der Betroffenen schwerlich Zuversicht auslösen. Die breite Anwendung einer solchen Idee würde darüber hinaus zu einem Verfall der Nachfrage und daher zu einer Verschärfung von Krisen führen. Auch entspricht es nicht den Usancen von fairem Wettbewerb, wenn sich nicht erfolgreiche Unternehmen Kostenvorteile gegenüber erfolgreichen Unternehmen verschaffen können. Ganz davon zu Schweigen, dass es durch die Möglichkeit von Lohnsenkungen zu einer unzumutbaren Überwälzung unternehmerischen Risikos auf die ArbeitnehmerInnen kommt.

Gar nicht ernst zu nehmen und jedenfalls völlig abzulehnen (und EU-rechtlich bedenklich) ist es, InvestorInnen in Österreich für zehn Jahre zu garantieren, Steuern und Abgaben nicht zu erhöhen. Damit würde sich der Staat ja wesentliche Handlungsoptionen nehmen und völlig in die Hand von InvestorInnen begeben.

All diese Vorschläge erinnern an „voodoo economics“ oder gestrige Vorstellungen und machen eher Angst als Zuversicht.

Zuversicht und richtige Reformen statt falscher Vergleiche und Verschlechterungen

Österreichs Unternehmen, die ArbeitnehmerInnen und der Standort brauchen sich nicht an Horrorbildern von wem immer orientieren und auch nicht zu verstecken. Über Jahrzehnte gelang eine enorme wirtschaftliche Entwicklung, bis hinauf in die Spitzenplätze der EU und der Industriestaaten weltweit. Das kann man an einer Vielzahl von Daten leicht ablesen. Wenn das Wirtschaftswachstum und das Exportwachstum über das eine oder andere Jahr nicht an der Spitze liegt, heißt das so wenig, dass wir am Zurückfallen sind, wie ein Wachstum über dem Schnitt des Euroraumes (2016?) auch nicht bedeutet, dass alles „eitel Wonne“ ist.

Wenn schon Benchmarking, dann ist vor allem das Niveau der Wirtschaftsleistung zu vergleichen. Von einem Zurückfallen zu sprechen wenn eigentlich nur der Vorsprung geringer wird, ist absurd. Aber wird der Abstand überhaupt kleiner? Zieht man die aktuellste langfristige Wirtschaftsprognose der Europäischen Kommission heran (was einigermaßen gewagt ist, weil Langfristprognosen in der Vergangenheit selten richtig gelegen sind), so wird Österreich im europäischen Vergleich auch noch 2060 sehr gut dastehen. Die relative Größe der heimischen Volkswirtschaft steigt demnach sogar von 3,3 % 2013 auf 3,5 % der Eurozone-19. Österreich wird weiterhin praktisch ex aequo mit den Niederlanden auf Platz 3 hinter Luxemburg und Irland – und noch vor Deutschland – liegen. Der Vorsprung auf den Durchschnitt der Eurozone wird nur minimal schrumpfen und immer noch rund ein Viertel betragen.

Zuversicht kann nur aus einer realistischen Einschätzung der Situation entstehen. Tatsächlich gibt es in Österreich in vielen Bereichen Reformnotwendigkeiten. Denken wir nur an die untragbar unfaire Verteilung des erzielten Einkommens und der auch daraus resultierenden hohen Armutsgefährdung eines erheblichen Anteils der Bevölkerung. Oder denken wir an die unfaire Vermögensverteilung. Oder an die offenen Baustellen im Bildungs-, Ausbildungs- und Weiterbildungsbereich – und das vor dem Hintergrund eines immer schwierigeren Umfeldes.

Reformen müssen absehbare Verbesserungen für die Menschen bringen. Abbau von Sozialstaat, Pensionen, ArbeitnehmerInnenrechten, Schutzmechanismen und die Ermöglichung von einseitigen Lohnreduktionen sind keine Reformen im positiven Sinn, sondern schlicht und einfach Verschlechterungen zu Lasten von meist schwächeren Teilen der Bevölkerung.

Wer auf solche Art Propaganda betreibt, will in Wirklichkeit keine Zuversicht bei ALLEN wecken, sondern zur Verunsicherung beitragen. Bleibt zu fragen, wem diese nützt.