Quantitative Easing der EZB ist ohne zusätzliche Staatsausgaben wirkungslos

23. Januar 2015

Seit die Europäische Zentralbank (EZB) im Frühjahr eine drastische Kursänderung eingeleitet hat, vergeht beinahe kein Monat, in dem nicht eine neue geldpolitische Maßnahme zur Bekämpfung der schwachen Konjunktur verlautbart wird. Obwohl der im Juli beschlossene Ankauf verbriefter Kredite gerade erst begonnen hat, wurde nun gestern angekündigt, in großem Ausmaß Staatsanleihen zu kaufen („Quantitative Easing“). Diese Maßnahme wird jedoch weitgehend wirkungslos bleiben, wenn sie nicht mit einer Ausweitung der staatlichen Ausgaben kombiniert wird.

Ankäufe von Staatsanleihen senken Zinssätze und Wechselkurs

Zunächst einmal verdient die EZB ein gewisses Maß an Anerkennung. Als einzige EU-Institution scheint sie die Krise tatsächlich ernst zu nehmen und entschlossen zu sein, dagegen zu handeln. Sie stellt damit einen wohltuenden Gegensatz zur EU-Kommission und den Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten dar, die weiter an der Einhaltung der Fiskalregeln festhalten und sich darauf beschränken Strukturreformen einzumahnen. Während letztere unbeirrt von der schwachen Konjunktur in unregelmäßigem Abstand Erfolgsmeldungen verkünden, legt die EZB (spät aber doch) ihre Scheuklappen ab und greift zu bisher kaum denkbaren Maßnahmen.

Nun wurde ein neues Programm beschlossen, unter dem ab März (vorläufig bis Ende September 2016) auch Staatsanleihen angekauft werden. Das gesamte Volumen soll inklusive privater Wertpapiere monatlich 60 Mrd. Euro betragen und entsprechend dem Kapitalschlüssel der EZB auf die Länder verteilt sein. Allerdings soll für nur 20 Prozent der angekauften Anleihen das Ausfallsrisiko gemeinsam übernommen werden, der Rest bleibt bei den nationalen Zentralbanken.

Ein Ankauf von Staatsanleihen hat mehrere Effekte: Erstens senkt er den Zinssatz auf diese Anleihen. Das ist grundsätzlich sinnvoll, weil langfristige Zinsen bis zu einem gewissen Grad vom Leitzins unabhängig sind, und durch Angebot und Nachfrage bestimmt werden. Die Zentralbank hat also im Normalfall keinen direkten Einfluss auf das lange Ende der Zinskurve. Insbesondere für die Krisenländer, deren Realzinsen nach wie vor hoch sind, bedeutet dies eine Entlastung für den Staatshaushalt. Auslaufende Anleihen können so durch neue mit niedrigeren Zinsen ersetzt werden. Da diese Länder aber aufgrund der Fiskalregeln harte Sparvorgaben haben, dürfte sich die Entlastung der Budgets nicht in neuen konjunkturwirksamen Staatsausgaben niederschlagen.

Zweitens soll durch die Ankäufe der Preis der Anleihen hoch gehalten werden und so über einen positiven Vermögenseffekt der Konsum gestützt werden. Ob dieser Effekt eintritt ist jedoch mehr als zweifelhaft: Die BesitzerInnen von Staatsanleihen sind vorwiegend Vermögende und institutionelle AnlegerInnen, die selbst bei höherer Liquidität keine zusätzlichen Konsumausgaben tätigen werden. Alternativ wird erwartet, dass diese AnlegerInnen anstelle der Staatsanleihen andere Wertpapiere kaufen und so die Finanzierungskosten des privaten Sektors reduzieren. In vielen Ländern sind jedoch die Finanzierungsbedingungen für private Unternehmen so günstig wie noch nie. Trotzdem bleiben die Unternehmensinvestitionen angesichts der schwachen privaten und öffentlichen Nachfrage verhalten.

Drittens soll diese Maßnahme den Wechselkurs schwächen. Dieser Effekt tritt jedoch nur dann ein, wenn AnlegerInnen ihre Euro-Staatsanleihen durch ausländische Wertpapiere ersetzen. Da der überwiegende Anteil der Anleihen von AnlegerInnen innerhalb der Währungsunion gehalten wird und diese vorwiegend andere Euro-Wertpapiere kaufen würden, dürfte die Wirkung des Ankaufprogramms auf die Konjunktur über diesen „Kanal“ ebenfalls nicht allzu groß ausfallen. Allerdings hat die Spekulation über die Absicht der EZB Staatsanleihen zu kaufen in den letzten Monaten bereits für eine Abwertung des Euro gesorgt.

Die erwähnten Kanäle würden zumindest theoretisch funktionieren, wenn auch mit geringen tatsächlichen Wirkungen. Oft wird allerdings noch ein zusätzlicher Effekt diskutiert: Banken würden ihre Staatsanleihen gegen Zentralbankreserven tauschen, die sie dann für die Kreditvergabe an private Haushalte und Unternehmen nutzen können. Hinter diesem Argument steckt die Vorstellung, dass höhere Zentralbankreserven zu einem Vielfachen an privaten Krediten führen. Außerhalb der monetaristischen Theorie (und der meisten Lehrbücher) wurde diese Idee eines „Geldschöpfungsmultiplikators“ allerdings längst verworfen. Die Ausweitung der Liquidität im Bankensektor (der Geldbasis) ohne gleichzeitigen Anstieg der Kreditmenge während der Krise hat auch empirisch unterstrichen, dass der Geldschöpfungsmultiplikator nicht funktioniert, wenn die Investitionsnachfrage aufgrund geringer Absatzerwartungen nicht anspringt.

Wirkungen des EZB-Ankaufprogramms durch Fiskalregeln verhindert

Mit einem Ankaufprogramm für Staatsanleihen würde die EZB vermeintlich in die Fußstapfen der Zentralbank in den USA treten, die solche Programme schon bald nach Ausbrechen der Krise durchführte und ihre Konjunktur damit erfolgreich stabilisierte. Dabei wird allerdings übersehen, dass dort auch die Staatsausgaben erheblich ausgeweitet wurden, um die Konjunktur zu stützen. Der Ankauf dieser (neu ausgegebenen) Anleihen durch die Notenbanken verhinderte „nur“, dass die Zinsen parallel zu der Höhe der Staatsschulden anstiegen. Die Wirkung auf Wachstum und Beschäftigung erfolgte hingegen unmittelbar durch die Ausweitung der öffentlichen Defizite.

Im Euroraum ist das hingegen nicht geplant. Hier würde die Zentralbank den privaten AnlegerInnen bereits vorhandene Staatsanleihen abkaufen. Die Ausweitung der öffentlichen Defizite wird hingegen durch die Fiskalregeln verhindert. Selbst wenn dieses Regelwerk von der EU-Kommission nun etwas „flexibler“ interpretiert werden sollte, bedeutet das lediglich eine Anerkennung der Tatsache, dass die schwächelnde Konjunktur das Erreichen der (über-)ambitionierten Konsolidierungsziele unmöglich macht und noch drastischere Sparmaßnahmen die Wirtschaft im Euroraum weiter dämpfen würde. An der grundsätzlichen Vorstellung, dass Staaten auch in einem Abschwung sparen müssen, wird hingegen nicht gerüttelt.

Wenn jedoch das enge Korsett der Fiskalregeln nicht aufgeschnürt wird, dann dürfen die Wirkungen eines QE-Programms auf Wachstum und Beschäftigung – ähnlich wie schon die bisherigen Maßnahmen der EZB – gering bleiben. Die EU-Kommission und die Regierungen der EU-Länder sollten endlich anerkennen, dass die Grenzen der Geldpolitik erreicht sind. Um die drohende Deflation zu verhindern und die Konjunktur wieder in Gang zu bringen, ist die Fiskalpolitik gefragt. Die EZB kann diese nur unterstützen, indem sie Staatsanleihen kauft und so den Spielraum für zusätzliche Ausgaben erhöht.