EU-USA-Handelsabkommen: Was tun gegen die verklagte Demokratie?

23. Juni 2014

Im Brennpunkt der handelspolitischen Diskussion steht derzeit das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren ISDS (Investor-state disputement settlement). Damit soll Unternehmen eine Klagemöglichkeit gegen Regulierungen vor privaten Schiedsgerichten eingeräumt werden. ISDS gefährden die Demokratie. Was kann dagegen unternommen werden?

 Zum Hintergrund: Warum ist der Klagemechanismus gefährlich?

Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren sind Teil zahlreicher Investitionsschutz- und Freihandelsabkommen und auch für das geplante TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) vorgesehen. Sie ermöglichen es ausländischen Investoren Staaten bei neuen regulativen Maßnahmen auf Schadenersatz zu klagen, wenn diese die Gewinne ihres Geschäftsmodells schmälern. Diese Verfahren finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit und Umgehung des nationalen Gerichtsweges  vor privaten Schiedsgerichten statt. Die Schiedsgerichte sind darüber hinaus nur dem internationalen Investitionsrecht verpflichtet.

In den letzten 15 Jahren hat sowohl die Anzahl der Streitfälle als auch die Kritik an diesen Verfahren stark zugenommen. Insbesondere in verklagten Staaten findet eine breite öffentliche Debatte über die privilegierten Klagsmöglichkeiten von internationalen Konzernen statt. Im Zentrum der Diskussion steht unter anderem die Einschränkung der nationalstaatlichen Souveränität – die Gefährdung des politischen Handlungsspielraums für neue gesetzliche Maßnahmen im Interesse der Allgemeinheit. Aber auch die Verfahren selbst werden kritisiert: die Legitimität der Ad-hoc-Schiedsgerichte, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter, die fehlende Transparenz der Verfahren und die Höhe der Entschädigungszahlungen.

Eine allgemeine Bewertung der laufenden Konsultation zu Investitionsschutz und ISDS im TTIP

Die außerordentlich intensive Kritik insbesondere an den Verhandlungen mit der USA aber auch mit Kanada hat die Europäische Kommission zu dem in der EU-Handelspolitik bislang einmaligen Schritt veranlasst, die Verhandlungen mit der USA zu Investitionsschutz und ISDS vorläufig auszusetzen und eine öffentliche Konsultation einzuleiten. Diese läuft bis 6. Juli 2014 und bietet Organisationen aber auch den Menschen in Europa die Möglichkeit, in Brüssel gehört zu werden.

Das von der Europäischen Kommission veröffentlichte Konsultationsdokument sieht keine Möglichkeit vor, zur hochumstrittenen Frage, ob es im TTIP oder auch anderen EU-Investitions- bzw. Freihandelsabkommen generell ein Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren geben soll oder nicht, Stellung zu beziehen. Indem die Kommission diese Diskussion erst gar nicht zulässt, ignoriert sie die massiven Bedenken der kritischen Öffentlichkeit und der breiten Bevölkerung.

 Zum anderen will die Kommission mit den vorgelegten Fragen und deren Erläuterungen suggerieren, dass der neue EU-Ansatz erheblich besser wäre als die vorherrschenden traditionellen Investitionsabkommen. Doch greifen die Vorschläge zu kurz, da die einzelnen „Reformelemente“ den privaten ad hoc Schiedsgerichten nach wie vor erheblichen Interpretationsspielraum bei der Auslegung der Standards geben. Auch sind sie nicht glaubwürdig, da die zur Konsultation vorgelegten Vertragstexte aus dem Abkommen mit Kanada und nicht aus den TTIP-Verhandlungen stammen. Darüber hinaus ist eine seriöse Beurteilung nicht möglich, weil eben nur Auszüge aus der Vertragstexte vorgelegt wurden. Gleichzeitigt geht die Kommission nicht auf die Forderung ein, endlich ein EU-Musterabkommen vorzulegen und dieses mit einem schlüssigen Konzept zum Investitionsschutz zu verbinden. Vielmehr werden lediglich allgemeine Wunschvorstellungen der Kommission formuliert. Dies lässt kaum einen anderen Schluss zu als, dass es sich bei dieser Konsultation, um eine Farce handelt.

Klare Position gegen Privilegien von Investoren beziehen

Nichtsdestotrotz ist eine breite Beteiligung an der Konsultation wünschenswert, um auch in diesem Rahmen den kritischen Stimmen entsprechend Gehör zu verschaffen. Angeblich sind schon 20.000 Antworten bei der Kommission eingegangen. Die Unternehmensverbände auf europäischer aber auch nationaler Ebene haben bereits intensiv lobbyiert und mobilisiert, um die Sonderklagerechte für multinationale Unternehmen zu verteidigen.

Doch haben die Klagerechte für Konzerne fatale Auswirkungen auf die künftige Gesetzes- und Regulierungsgestaltung und damit auf unseren demokratischen Rechts- und Wohlfahrtsstaat. Diese wiederum stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit den Investitionsschutzbestimmungen. Daher ist der Kommissionsvorschlag in allen seinen Bestandteilen grundsätzlich abzulehnen. Um diese Haltung entsprechend zu dokumentieren, haben AK EUROPA, ÖGB Europabüro und Friends of the Earth Europe eine Initiative gestartet, die es jeder und jedem ermöglicht, sich kritisch in die Konsultation einzubringen. Mit Hilfe der Webseite (www.no2isds.eu) können eine grundsätzliche Positionierung und Antworten auf die Detailfragen an die Kommission geschickt werden. In dieser Vorlage für eine Teilnahme an der Konsultation werden stichhaltige Argumenten angeführt, warum Investitionsschutz und ISDS abzulehnen sind.

Was tun, um zu verhindern, dass die Demokratie auf die Anklagebank kommt? Bringen Sie sich ein! www.no2isds.eu bietet eine Möglichkeit dazu…