„Es gibt nicht den einen Kapitalismus“

14. Juni 2013

Wolfgang Lieb, Herausgeber der NachDenkSeiten, Joachim Becker, BEIGEWUM, und Markus Marterbauer, AK Wien, diskutierten am 10. Juni 2013 in der Fachbuchhandlung des ÖGB-Verlags über Österreich, Deutschland und Europa. Ich durfte moderieren und erhielt eine erstklassige volkswirtschaftliche Vorlesung.

Der Blog NachDenkSeiten hat täglich etwa 50.000 BesucherInnen und lag im Mai dieses Jahres auf Platz 9 der deutschen Blogcharts, ungewöhnlich für einen höchst politischen Blog. Seit zehn Jahren üben der Diplom-Volkswirt Albrecht Müller und der promovierte Jurist Wolfgang Lieb, beide langjährig erfahren in politischer Kommunikation, Neoliberalismuskritik auf höchstem Niveau.

Schon allein deshalb freuten wir uns sehr, dass Lieb sich bereit erklärte nach Wien zu kommen und dem Arbeit&Wirtschaft-Blog-Team einen Einblick hinter die Kulissen seiner Arbeit zu gewähren. Schnell keimte die Idee zu einer gemeinsamen Podiumsdiskussion mit dem Vorsitzenden unseres Redaktionskomitees Markus Marterbauer auf. Der BEIGEWUM (Beirat für gesellschafts-, wirtschafts- und umweltpolitische Alternativen)  hat ein neues Buch „Mythen des Sparens“, das hervorragend zum Thema passt und so ergänzte Joachim Becker in Vertretung von Jana Schultheiss das Podium. Zum großteils fachkundigen Publikum in der ÖGB-Fachbuchhandlung kamen etliche Interessierte, die die Veranstaltung via Livestream verfolgten.

Wolfgang Lieb eröffnete mit einem spannenden Impulsreferat mit Exkursen über die schwäbische Hausfrau Angela Merkel und das deutsche Tryptichon des Sparens.

Schnell bestätigte sich, dass sich die Slogans da wie dort gleichen: „Wir haben alle über unsere Verhältnisse gelebt“, „Schulden sind böse und Sparen ist gut“ und hierzulande ergänzt um: „Europa muss Deutsch lernen“. Das sind Kapitelüberschriften aus dem Buch „Mythen des Sparens“. Joachim Becker erläuterte klar, dass der Kernmythos „Sparen ist gut“ vor allem auf den Staat bezogen werde und zu Kürzungen im Sozialwesen führten. Diese Politik sei aber mit Wachstum unvereinbar.

Das weist auch Markus Marterbauer in seinem Buch „Zahlen, bitte!“ nach. Seine Diagnose: „Wir können jetzt im sechsten Jahr der Krise feststellen, dass die EU-Politik gescheitert ist.“ Der Leiter der AK-Wirtschaftspolitik betonte, dass seiner Meinung nach dieses Versagen der Politik auf eine falsche ökonomische Theorie zurückzuführen sei.

Wie die Diskussion schließlich bei der Sehnsucht nach neuen politischen Führungsfiguren und einem Vergleich zwischen „einem britischen Gentleman aus den 1930er Jahre und einem bärtigen Ökonomen aus dem 19. Jahrhundert“ landete, sehen Sie sich am besten selbst an.