(Potenzielle) Elternschaft als Stolperstein in der Arbeitswelt?!

20. März 2023

Dass (systematische) Benachteiligung von Eltern – insbesondere von Müttern – oft nicht erkannt wird, hat mit fehlender Bewusstseinsbildung zu tun. Sei es die Frage nach der Familienplanung beim Bewerbungsgespräch oder die Ablehnung für eine Stelle aufgrund vorhandener. Selbst vor der dreisten Frage nach Verhütungsmethoden schrecken manche Personalist:innen nicht zurück. Es darf angenommen werden, dass nur ein kleiner Bruchteil der Diskriminierten Beratung und Hilfe in Anspruch nimmt oder gar rechtlich etwas dagegen unternimmt. Es gibt dringend Handlungsbedarf bei den Dienstgebern, aber auch bei der öffentlichen Hand! Das zeigt die Elternbefragung Oberösterreich.

(Potenzielle) Elternschaft als Risiko im Betrieb?!

Rein rechtlich ist berufliche Benachteiligung von Arbeitnehmer:innen aufgrund der Tatsache, dass jemand Kinder hat, schwanger ist oder eine Familiengründung plant, grundsätzlich nicht zulässig. Die Realität in der Arbeitswelt sieht aber auch hier oftmals anders aus! Diskriminierung in Form von Benachteiligungen und Vorbehalten rund um eine (mögliche) Elternschaft zeigt sich in der betrieblichen Praxis sehr unterschiedlich. Schlechtere Gehaltseinstufungen nach dem Wiedereinstieg, unflexible Arbeitszeiten und Urlaubsplanungen oder kränkende und herabwürdigende Äußerungen und Bemerkungen sind nur einige Beispiele. Vorurteile können etwa sein, dass Eltern weniger motiviert sind, weniger leisten und unflexibler sind. Verbotene Benachteiligungen verstecken sich oft auch hinter scheinbar objektiven und vorgeblich neutralen Kriterien und Regelungen.

Wie ist Diskriminierung am Arbeitsplatz rechtlich geregelt?

Das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) untersagt ausdrücklich die Diskriminierung

  • bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses,
  • bei der Festsetzung des Entgeltes,
  • bei der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, die kein Entgelt darstellen,
  • bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung und Umschulung,
  • beim beruflichen Aufstieg,
  • bei den sonstigen Arbeitsbedingungen und
  • bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Diskriminierung kann unmittelbar und mittelbar passieren. Vereinfacht gesagt findet unmittelbare Diskriminierung statt, wenn eine Person (z. B. aufgrund ihres Geschlechtes, ihres Familienstandes) in einer vergleichbaren Situation schlechter behandelt wird als eine andere Person. Mittelbare Diskriminierung liegt dann vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren diese Person in besonderer Weise gegenüber anderen Personen benachteiligen können.

Die oberösterreichische Elternbefragung (2022) bringt es auf den Punkt!

Eltern sowie Frauen und Männer, die eine Familie gründen wollen, haben im Berufsleben oft mit Benachteiligungen zu kämpfen. Um dieser Problematik auf den Grund zu gehen, führte die Arbeiterkammer Oberösterreich gemeinsam mit der Abteilung für Empirische Sozialforschung der Johannes Kepler Universität eine Elternbefragung online durch. Die Ergebnisse (im WISO 1/2023) zeigen: (Potenzielle) Eltern sind Diskriminierungen ausgesetzt und werden oft vor die Wahl gestellt: Kind oder Berufstätigkeit? Die Fragen umfassten einerseits eigene Erfahrungen von (potenziellen) Eltern, anderseits beobachtete Ungleichbehandlungen bzw. Diskriminierung in Bezug auf Elternschaft in der Arbeitswelt.

  • Diskriminierende Fragen bereits beim Vorstellungsgespräch!

Die Benachteiligung beginnt oft schon beim Vorstellungsgespräch. Besonders junge Frauen, bei denen die theoretische Möglichkeit besteht, schwanger zu werden, erleben diskriminierendes Verhalten. Sie laufen Gefahr, nur aufgrund ihrer biologischen Voraussetzungen eine Anstellung erst gar nicht zu bekommen. So geben beispielsweise 46 Prozent der Frauen in der Befragung an, dass sie bereits im Rahmen von Vorstellungsgesprächen direkt oder indirekt gefragt wurden, ob sie in den nächsten Jahren planen, Kinder zu bekommen.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

In der Befragung beschreibt eine Teilnehmerin ihre Erfahrung als arbeitssuchende junge Frau mit eigenen Worten:

„Nach der Uni brauchte ich jeweils max. fünf Bewerbungen und hatte einen Job innerhalb weniger Wochen. Ab 28 war das trotz Berufserfahrung und guter Zeugnisse etc. auf einen Schlag anders. Verbunden damit musste ich nach unzähligen Bewerbungen einen deutlich schlechter bezahlten Job annehmen …“

„Die Ablehnung wurde damit argumentiert, dass Frauen nicht so hart arbeiten können wie Männer und junge Frauen in ein bis zwei Jahren schwanger werden. Da zahlt es sich nicht aus, eine Frau einzustellen. Da sie anschließend nicht für die Arbeit verfügbar sind, weil regelmäßig Pflegeurlaub beantragt wird.“

  • Rückkehr aus der Karenz: Hier kommt es häufig zu Benachteiligungen

Auch Mütter und Väter, die nach einer Elternkarenz wieder ins Berufsleben zurückkehren, finden sich häufig in benachteiligenden Situationen wieder. Bisherige Ressourcen, wie Diensthandy, Firmenauto oder Laptop, stehen nun plötzlich nicht mehr zur Verfügung. Auch müssen sie mit weniger günstigen Arbeitszeitmodellen vorliebnehmen. Oft kehren Eltern, hier besonders Frauen, in Form von Teilzeitarbeit ins Berufsleben zurück. Auch das kann Grund für Benachteiligungen sein. Knapp die Hälfte (46,6 Prozent) der Befragungsteilnehmer:innen hat nach einer Stundenreduktion weniger Aufstiegschancen im Betrieb erlebt. Die meistgenannte Erfahrung der Befragungsteilnehmer:innen nach der Rückkehr aus der Elternkarenz war mit 27,5 Prozent die Einschränkung ihrer beruflichen Entscheidungsbefugnisse. Rund 23 Prozent der Befragten waren mit einer Verschlechterung der Arbeitsumgebung (z. B. kleineres Büro) oder hinsichtlich der verfügbaren Arbeitsmittel (z. B. Diensthandy, Laptop, Dienstauto) konfrontiert. Aber auch Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Beruf und Betreuungspflichten (z. B. keine Möglichkeit für Homeoffice) wurden von knapp 14 Prozent angeführt.

  • Aus-, Weiterbildung und beruflicher Aufstieg: Quelle von Benachteiligungen

Ein weiterer typischer Bereich sind berufliche Aus- und Weiterbildungen, die grundsätzlich für alle offen sind, aber z. B. nachmittags stattfinden. Teilzeitbeschäftigte Eltern, die vormittags arbeiten, können im Gegensatz zu den Vollzeitbeschäftigten nicht oder nur eingeschränkt teilnehmen. Auch das ist diskriminierend. Dazu folgende Wortmeldung aus der Befragung:

„Meine Berufsbezeichnung und mein Aufgabengebiet wurden aufgrund meiner Elternteilzeit verschlechtert, das macht mich wütend und traurig. Ich bekomme Fortbildungsstunden, die über mein Stundenausmaß hinausgehen, nicht vergütet. Bei Vollzeitarbeitenden ist das kein Thema, da es in ihre Arbeitszeit hineinfällt. Ich werde in der Elternteilzeit eher als Belastung für den Betrieb gesehen.“

  • Mit zunehmendem Engagement: Auch mehr Väter betroffen

Während sich in unserer Gesellschaft (wenn auch sehr langsam) die Vaterrolle zu ändern beginnt, muss auch das Arbeitsumfeld dementsprechend reagieren. Gesellschaftlichen Veränderungen, die in Richtung einer aktiveren Vaterrolle gehen, stehen strukturelle Schranken entgegen. Spott und Schikane gegenüber Vätern in Karenz oder die schlechtere Darstellung von Arbeitsleistungen von Eltern in Teilzeit sind leider keine Seltenheit. Viele Eltern nehmen daher Notlösungen in Kauf, um unangenehme Situationen zu meiden: „Ich gehe lieber in Urlaub, statt um Papamonat zu fragen, das spart mir Ärger mit dem Arbeitgeber und den Kollegen“, meint etwa ein betroffener Vater in der Beratung der Arbeiterkammer.

Wie Familienfreundlichkeit im Betrieb gelingen kann!

  • Unternehmenskultur

Auch die Unternehmenskultur spielt eine zentrale Rolle, in der Offenheit und Transparenz, Kommunikation auf Augenhöhe und Unterstützung sowie Zugeständnisse von und für Eltern gelebte Praxis sind. Ein professioneller Umgang mit Mitarbeiter:innen mit Kindern bedeutet auch, Strukturen zu schaffen, anstatt auf individuell ausverhandelte Lösungen zu setzen. Unternehmen sind aufgefordert, geeignete Rahmenbedingungen für beide Elternteile zu schaffen. Neben familienfreundlichen und flexibleren Arbeitszeitvereinbarungen braucht es auch eine positive Grundhaltung und Aufgeschlossenheit zu Schwangerschaft und Karenz im Unternehmen.

  • Vertretungsregeln und Kontakthalten

Klare Vereinbarungen mit den Betroffenen in puncto Vertretungsregelung und Aufgabenverteilung auch bereits während der Schwangerschaft und bezüglich Karrieremöglichkeiten (Stichwort: Führen in Teilzeit) nach der Karenz sind zielführend. Auch Transparenz gegenüber und Gesprächskultur bzw. das Kontakthalten und der Austausch mit Mitarbeiter:innen während ihrer Auszeit vom Betrieb kann unterstützen. Darüber hinaus kann auch der direkte Kontakt der betroffenen Mitarbeiter:innen untereinander gezielt gefördert werden. Gerade nach der Rückkehr kann der Austausch untereinander stärkend und motivierend sein, indem gemeinsame Aktivitäten für Eltern und Informationstreffen veranstaltet werden oder im Sinne des Peer-to-Peer-Gedankens sich gegenseitig unterstützende Beziehungen gefördert werden. Gerade weil Mitarbeiter:innen durch Karenz, Elternteilzeit und Teilzeitanstellungen weniger im tagtäglichen formellen und informellen Informationsfluss involviert sind, ist hier besondere Aufmerksamkeit gefragt.

Vonseiten der Dienstgeber ist es zentral, dass Führungskräfte und Schlüsselpersonen im Betrieb im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) gut informiert sind und durch regelmäßige Fortbildungen auch für Bereiche wie die Gesprächsführung sensibilisiert und trainiert werden. Gerade wenn es um Realitäten geht, die noch immer nicht alltäglich sind, wie Mitarbeiter, die die Vaterrolle aktiv übernehmen möchten. Männlichen Führungskräften kommt dabei genauso eine wichtige Rolle zu wie auch der Firmenkultur, in der Akzeptanz, Anerkennung und Unterstützung vorhanden sein müssen.

  • Vereinbarkeitsbeauftragte

Eine zentrale Rolle kommt hier in Zukunft gewiss immer mehr den sogenannten „Vereinbarkeitsbeauftragten“ in den Betrieben zu. In Österreich haben beispielsweise die Hochschulen diese Funktionen bereits etabliert und besetzt, um Information und Beratung zu den Themenfeldern Kinderbetreuung, Betreuung und Pflege älterer (pflegebedürftiger) Angehöriger anzubieten und eigene Betreuungsplätze und Unterstützungssysteme bereitzustellen. Die Aufgabe dieser Vertrauenspersonen und Ansprechpartner:innen ist es ebenfalls, den kulturellen Wandel im Unternehmen Universität zu verändern und (in diesem Fall) Studierende und Mitarbeiter:innen bei den verschiedenen Lebensphasen und -entwürfen zu stärken.

Betriebskrabbelstuben oder Kindergärten sind neben innovativen Angeboten, wie etwa einem „Schultaxi“, Möglichkeiten, Betriebe familienfreundlich zu gestalten.

  • Professionelles Management

Professionelles Management im Umgang mit Eltern im Betrieb bedeutet auch, vorhandene Regelungen und Prozesse regelmäßig durch die aktive Einbeziehung von Betriebsrat, Gleichstellungsbeauftragten oder Vereinbarkeitsbeauftragten zu evaluieren. Strukturelle Adaptionen wie neue Teilzeitmodelle, Job-Sharing/Job-Splitting-Möglichkeiten, Co-Leadership-Angebote und die Frage der Anwesenheitskultur versus Organisation von Homeoffice- und Gleitzeitmöglichkeiten können Abhilfe schaffen. Homeoffice-Möglichkeiten dürfen dabei aber nicht als Vermengung und Vermischung von Kinderbetreuung und beruflicher Aufgabenbewältigung verstanden werden, sondern sollen durch verkürzte Wege Unterstützung bei der Koordination der verschiedenen Termine (der Familienmitglieder) schaffen. Im Endeffekt wird es darauf hinauslaufen, dass viele Unternehmen gefordert sind, neue Perspektiven einzunehmen. Besondere Aufwertung erfährt der professionelle Umgang mit Eltern auch dann, wenn dieser zur Chef:innen-Sache erklärt wird.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Wer viel fragt, geht eben NICHT irr!

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Diskriminierungen aufgrund ihrer Elternschaft vermuten, sollten sich unbedingt mit der Arbeiterkammer in Verbindung setzen, um den Sachverhalt rechtlich genau prüfen zu können und Fristen zu sichern. Weiter bieten auch die österreichische Gleichbehandlungsanwaltschaft und Gewerkschaften Unterstützung und Informationen an.

Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0: Dieser Beitrag ist unter einer Creative-Commons-Lizenz vom Typ Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International zugänglich. Um eine Kopie dieser Lizenz einzusehen, konsultieren Sie http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/. Weitere Informationen https://awblog.at/ueberdiesenblog/open-access-zielsetzung-und-verwendung