Ausbildungspflicht bis 18 schön und gut, aber muss Strafe sein?

09. Dezember 2014

Die Arbeitslosigkeit steigt und auch die Jungen sind zunehmend  betroffen, vor allem die gering qualifizierten. Um diese Situation zu verbessern, hat die Regierung beschlossen, eine Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr einzuführen. Diese  präventive Maßnahme soll die Chancen von bildungsbenachteiligten Jugendlichen am Arbeitsmarkt verbessern. Eine löbliche Maßnahme. Aber wie sinnvoll ist es, bei  Pflichtverletzung mit Geldstrafen bis zu 440 € zu drohen?

 

Wie ist die Idee zur Ausbildungsverpflichtung entstanden ?

Eine Studie des ISW aus dem Jahr 2012 über bildungs- und erwerbsferne Jugendliche (so genannte „NEETS“ – Not in Education, Employment  and Training ) wurde vom damaligen Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz zum Anlass genommen, um darauf hinzuweisen, dass Schulabbruch oft dem Schulschwänzen folgt, also eine direkte Folge der Schulpflichtverletzung ist. In dieser Studie kam diese Thematik aber in dieser Verknüpfung  gar  nicht vor und schon gar nicht wurde Schulschwänzen als ein Phänomen beschreiben, das vor allem Jugendliche mit „so genanntem“ Migrationshintergrund betrifft, wie das in der Folge von den Medien kolportiert wurde. Schulabsentismus ist nun mal kein Phänomen, das auf bestimmte Gruppen  beschränkt ist.

Es wurde also diese Studie dazu missbraucht, eine bereits benachteiligte Gruppe zu diffamieren. Politiker verschiedener Couleurs  traten in einen Wettbewerb der Sanktionen ein: Eine Streichung der Familienbeihilfe und höhere Verwaltungsstrafen wurden diskutiert. Übrig geblieben ist die Ausbildungspflicht bis 18, die nun bis zum Schuljahr 2016/2017 gemeinsam mit den Sozialpartnern und Ländern umgesetzt werden soll. Wenn die angedrohten Strafen dann auch verhängt werden, wird das sozial schwächere Gruppen sehr hart treffen.

Wenn es um Jugendliche und ihre Probleme geht, entsteht in der Öffentlichkeit oft eine ungute Mischung aus populistischer Alarmstimmung und paternalistischer Bevormundung, im besten Fall mit gut gemeinten Ratschlägen und in diesem Fall auch mit Maßnahmen, Strafmaßnahmen nämlich. Ja, natürlich: Strafe muss sein! Oder?!

Dabei sind althergebrachte Legenden und Vorurteile über „die Jugend“ oft die falschen Ratgeber. Hier eine kleine Auswahl der gängigsten und dazu dann ein paar Fakten aus aktuellen Studien:

  • „Jugendliche müssen zur Ausbildung gezwungen werden!“

Muss man die Jugendlichen zu ihrem Glück zwingen? Welche Entwicklungen zeigen sich denn aktuell? Insgesamt  setzt sich  schon jetzt auch ohne Verpflichtung  ein Trend zu längeren Ausbildungszeiten und somit zu höherer Bildung fort. Der Einstieg in die Arbeitswelt erfolgt generell zu einem späteren Zeitpunkt.

Zum Beispiel waren im Jahr 2012 in Österreich 24,6% der 15-19jährigen in der Lehre und lediglich 3% der 20-24jährigen. Der  Anteil der Jugendlichen, die nach der Pflichtschule direkt in den Arbeitsprozess einsteigen, ist mit 5,1% sehr gering. Der  Anteil der Jugendlichen, die weder in Ausbildung noch in Beschäftigung sind, geht bei der Altersgruppe zwischen 15 und 19 Jahren auf 4,7% und bei jenen zwischen 19 und 24 Jahren auf 11,1% ebenfalls langsam zurück.

Der Anteil  der 15-19jährigen in Ausbildung erhöhte sich in zwei Jahren (2010-2012) von 86,6% auf 87,6%.  (OECD 2014).

  • „Jugendliche sind selber schuld, wenn sie aus der Schule fliegen“

Warum brechen Jugendliche die Schule ab? Ist es wirklich einfach Faulheit? Eine Studie des IHS aus dem Jahr 2014 hat den Schulabbruch in den berufsbildenden Schulen sehr genau analysiert. Die Ergebnisse: In  einigen berufsbildenden mittleren Schulen (BMS) erreichen oft nur 36% der SchülerInnen das Ziel. Schulwechsel, Schulabbruch und die Erfüllung des 9. Pflichtschuljahres an einer BMS reduzieren im Laufe der Jahre die Zahl der SchülerInnen. Das System ist oft schon so ausgelegt, dass in der zweiten Klasse BMS um ein Drittel weniger Plätze angeboten werden. Der Abbruch ist somit eingeplant und Teil des Systems. Das ist doppelt problematisch, denn nach einem Abbruch gibt es  in den seltensten Fällen ein Clearing oder Unterstützung im Bereich Berufsorientierung!

  • „Wer wirklich sucht, der findet eine Lehrstelle“

Stimmt das wirklich? Eine Analyse der AK macht vielmehr klar, dass es schwieriger geworden ist, eine Lehrstelle zu finden. Im Laufe der Jahre hat sich die Lehrstellensituation verschärft. Das Angebot an betrieblichen Lehrstellen geht zurück. Die staatlich finanzierten überbetrieblichen  Lehrausbildungen (ÜBA) müssen ausgebaut werden, obwohl die Wirtschaft massive Förderungen zur Schaffung von Lehrstellen erhält. Eine betrübliche Situation für Jugendliche, die eine Lehrstelle suchen, in einem Land, das die Lehre als internationales Vorzeigemodell präsentiert.

  • „Die Eltern sollen sich darum kümmern, dass ihre Kinder die Schule besuchen oder eine Ausbildung absolvieren und wenn sie das nicht tun, sollen sie bestraft werden“

Ist  also Druck auf die Eltern die Lösung? SozialarbeiterInnen, Jugendcoaches und aktuelle Studien der AK Wien warnen davor, noch mehr Druck auf sozial benachteiligte Familien zu machen. Jugendliche, die weder in Ausbildung noch in Beschäftigung sind, können nur durch positive Beziehungsarbeit und niederschwellige Angebote zurückgeholt werden. Noch mehr Druck zu machen ist kontraproduktiv!

Warum? – Weil Eltern oft nicht helfen können, selbst keinen Überblick haben oder mit eigenen Problemen überhäuft sind.

Und: Für bestimmte Gruppen gibt es bis dato überhaupt keine ausreichenden Angebote. Zum Beispiel haben junge  Eltern mit Betreuungspflichten und junge MigrantInnen, die nach ihrem 15. Lebensjahr einwandern, so gut wie keine  Chancen auf einen Ausbildungsplatz.

Was hilft? – Wenn die Jugendlichen selber wollen!

Wie kann man also die Motivation zur Ausbildung verbessern?

  • Das Ausbildungsangebot muss passen! Respekt und einen wertschätzenden Umgang statt negativer Schulerfahrungen – das wünschen sich die Jugendlichen
  • Niederschwellige Maßnahmen wirken! Z.B. die .B. Produktionsschulen haben sich bewährt und sollen auch für eine Berufsausbildung angerechnet werden.
  • Bei Schulmüdigkeit und Schulschwänzen helfen begleitende Beratungs-, Coaching- und Mentoring-Angebote in Kooperation mit den Schulen sowie frühe Präventionsmaßnahmen.
  • Die Qualität im Bereich des gesamten Ausbildungsangebots für Jugendliche muss gesichert und weiterentwickelt werden.

FazitJugendliche brauchen gute Ausbildungsangebote – und keine Bestrafungen!