Arbeitszeitflexibilisierung – brauchen wir den 12-Stunden-Tag?

27. September 2013

Derzeit werden vor allem von Arbeitgeberseite die österreichischen Regelungen zur Arbeitszeit als zu unflexibel bezeichnet. In internationalen Vergleichen gibt es für diese These keinen Beleg, im Gegenteil: Internationale Rankings stufen Österreich durchwegs als flexibel ein. Darüber hinaus kann in Sonderfällen – etwa zur Abwicklung eines großen Auftrags ­- schon derzeit eine Tagesarbeitszeit von 12 Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich vereinbart werden.

Was sagt das Gesetz zur Höchstarbeitszeit?

Die gesetzliche Höchstarbeitszeit beträgt einschließlich Überstunden 10 Stunden pro Tag bzw. 50 Stunden pro Woche (48 Stunden im wöchentlichen Durchschnitt).

Dabei gibt es allerdings eine Reihe von Ausnahmen. So kann die Höchstarbeitszeit rasch und flexibel für 24 Wochen auf 12 Stunden täglich und 60 Stunden pro Woche ausgeweitet werden. Dies ist dann möglich, wenn:

  • vorübergehend ein besonderer Arbeitsbedarf  – wie zum Beispiel ein außergewöhnlicher und die normalen Kapazitäten übersteigenden Arbeitsauftrag vorliegt,
  • andernfalls ein unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Nachteil (zB Pönale, Verlust von Folgeaufträgen) droht und
  • keine anderen Maßnahmen, wie etwa die Einstellung von zusätzlichen Arbeitskräften,  zumutbar sind.

Eine Regelung durch Kollektivvertrag ist nicht notwendig. Da es sich um spezifische betriebliche Gegebenheiten handelt, kann die Regelung auf betrieblicher Ebene erfolgen. In Betrieben mit Betriebsrat ist eine Betriebsvereinbarung erforderlich, in Betrieben ohne Betriebsrat wird eine schriftliche Vereinbarungen mit den ArbeitnehmerInnen und eine arbeitsmedizinische Unbedenklichkeitsbescheinigung benötigt.

Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe weiterer gesetzlicher Sonderregelungen, die in einigen Branchen wesentlich längere Arbeitszeiten zulassen. Dies betrifft zum Beispiel Krankenanstalten. Hier ist einschließlich der Bereitschaftsdienste eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 60 Stunden, in den einzelnen Wochen von 72 Stunden zulässig. Für Ärztinnen und Ärzte sind durchgehende Dienste von bis zu 32 Stunden, am Wochenende sogar 49 Stunden zulässig.

Wie kann die gesetzliche Normalarbeitszeit noch weiter flexibilisiert werden?

Bereits das geltende Arbeitszeitgesetz ermöglicht verschiedene flexible Normalarbeitszeitregelungen, auch dann wenn keine gesetzlichen Gründe (wie der besondere Arbeitsbedarf) vorliegen. Insbesondere bei der langfristigen Durchrechnung der Normalarbeitszeit können ArbeitnehmerInnen flexibel und ohne Überstundenzuschlag eingesetzt werden.

Solche Modelle, die – anders als zum Beispiel die Gleitzeit – überwiegend dem Unternehmen mehr Flexibilität bieten sollen, müssen allerdings durch Kollektivvertrag zugelassen werden. Nur so ist sichergestellt, dass sich gleich starke VerhandlungspartnerInnen gegenüberstehen und ein fairer Interessenausgleich zwischen den Beschäftigten und der Unternehmerseite möglich ist. Solche Arbeitszeitmodelle bedeuten ja für ArbeitnehmerInnen stets einen Einkommensverlust, da Ihnen trotz  längerer Arbeitszeit kein Überstundenzuschlag ausgezahlt wird. Ein Ausgleich erfolgt hier erst zu einem später Zeitpunkt und zwar nur durch kürzere Arbeitszeiten im Verhältnis 1:1. Sozial gerecht sind solche Modelle nur dann, wenn die ArbeitnehmerInnen auch davon profitieren. Dies kann etwa durch ein höheres Grundeinkommen, längere Freizeiten oder eine Einfluss auf die Verteilung der Arbeitszeit geschehen.

Was ist mit Kollektivvertrag alles möglich?

Bei dieser Arbeitszeitform wird die wöchentliche Normalarbeitszeit (nach vielen Kollektivverträgen 38,5 Stunden) nur im Durchschnitt eines Durchrechnungszeitraumes eingehalten. In den einzelnen Wochen ist eine höhere Normalarbeitszeit möglich, nach dem Gesetz bis zu 48 Stunden.

Das bedeutet, dass ArbeitnehmerInnen für ihre Mehrarbeit keinen Zuschlag erhalten. Nur wenn sich nach Ende des Durchrechnungszeitraumes herausstellt, dass mehr als durchschnittlich 38,5 Stunden gearbeitet wurden, fällt ein Überstundenzuschlag für die Mehrstunden an. Aber selbst ein solches Guthaben kann noch auf das nächste Jahr übertragen – und in diesem Zeitraum 1:1 ausgeglichen werden.

Wohlgemerkt: Erlaubt ist dies nur mit kollektivvertraglicher Zulassung. Dies ist deshalb notwendig, weil dies nicht nur einen Einkommensverlust für die ArbeitnehmerInnen bedeutet, sondern auch einen Eingriff in ihre Lebensführung. Für die Planung des Familien- und Freizeitlebens muss sichergestellt werden, dass Arbeitnehmerinnen mitgestalten können  oder zumindest rechtzeitig darüber informiert werden, in welchen Wochen sie wie lange arbeiten müssen.

Die Kollektivverträge aller wichtigen Branchen ermöglichen bereits eine Durchrechnung der Normalarbeitszeit. So beträgt etwa der Durchrechnungszeitraum in der Metallindustrie und im Metallgewerbe 1 Jahr, in einzelnen Wochen sind bis zu 45 Arbeitsstunden möglich, wobei  als Ausgleichsmaßnahme ab der 41. Wochenstunde ein 25prozentiger Zuschlag erfolgt. Daneben sind im Kollektivvertrag Spielregeln bei der konkreten Verteilung der Arbeitszeit  festgeschrieben, welche dem Schutz von Familienleben und Freizeitplanung dienen.

Zusammenfassend

Das österreichische Arbeitszeitgesetz bietet eine Reihe von Möglichkeiten zur Flexibilisierung von Arbeitszeiten auf betrieblicher Ebene. Dass solche Regelungen nur im Einvernehmen zwischen Beschäftigten und Unternehmer möglich sind, versteht sich in einer demokratischen Gesellschaft von selbst. Sollte aber auch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass überlange Arbeitszeiten gesundheitsgefährdend sind. Steigt doch die Unfallgefahr ab der 10. Arbeitsstunde signifikant an. Gleichzeitig führt die übermäßige körperliche und psychische Belastungen zu Krankenständen und Berufsunfähigkeit  und belastet damit über das Sozial- und Gesundheitssystem auch die Allgemeinheit. Mit zunehmender Arbeitszeit sinkt aber auch die Arbeitsleistung und somit die Produktivität der einzelnen ArbeitnehmerInnen. Wenn die Mitsprachemöglichkeit der Beschäftigten zur Diskussion steht gilt es also auch die die gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen zu bedenken.