Anteil der Vermögenslosen

03. Juli 2013

Wie viel haben die Reichen in der Krise verloren? Gibt es mehr Reiche nach der Krise in den USA? Fast wöchentlich gibt es neue Zahlen zu den Vermögenden. Doch wie sieht die Vermögensausstattung des ärmeren Teils der Bevölkerung aus? Die untere Hälfte der Gesellschaft wird in Verteilungsdebatten oft übersehen.

Der renommierte Vermögensforscher Arthur Kennickell von der FED hielt jüngst einen Vortrag in der OeNB zur Vermögensverteilung in den USA (Folien und Videoaufzeichnung siehe: www.hfcs.at). Arthur Kennickell leitet die Vermögenserhebungen der FED (Survey of Consumer Finance, SCF) seit den 1980er Jahren. In der Finanzkrise wurde er von FED-Chef Ben Bernanke beauftragt, die Erhebung zum Vermögen privater Haushalte außertourlich zu wiederholen, um Kriseneffekte auf die Vermögensbildung der privaten Haushalte zu erforschen.

Wer hat die Krümel vom Kuchen?

Die gesellschaftspolitisch wichtigste Frage scheint jene nach der Aufteilung des Kuchens in einer Gesellschaft. Wer hat die großen Stücke vom Kuchen in den USA und wie verändert sich dies über die Zeit?

Die Top 10% der Haushalte besaßen 2007 71,8% – in der Krise waren es 72,3%. Die untere Hälfte in den USA hatte fast nichts vor der Krise (2,5% Anteil am gesamten Nettovermögen) und noch weniger in der Krise (1,5% Anteil am gesamten Nettovermögen). Über die gesamte untere Hälfte wird fast nie gesprochen in einem reichenfaszinierten medialen Umfeld. Die vergessenen Vermögensarmen sind längst bei den Kuchenkrümeln angelangt (siehe Grafik).

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Das unergiebige Lieblingsthema bei medialen Diskussionen zu Reichtum lautet jedoch: Wer ist überhaupt reich? Als gälte nicht, dass man Reiche ähnlich Giraffen erkennen kann, wenn man ihrer nur ansichtig wird. Lieber wird zur Frage “sind Millionäre reich?” fabuliert. Nun, 1% der Haushalte hatte in den USA 2007 knapp vor der Krise mehr als 9 Mio USD an Nettovermögen. 2 Jahre später war man bei dieser Spitzengruppe bereits mit 6,9 Mio USD dabei. Das 25. Perzentil hatte 2007 ein Nettovermögen von 15.500 USD und 2009 nur mehr 8.200 USD. Demnach betrugen die Rückgänge unten 47,1%, hingegen oben bei den Reichen nur 23.3%. Nicht schwer zu erraten ist, wie sich die Vermögensbewertung bei den Reichen im Börsenboom wieder ändern wird. Denn das Top-1% hält 44,7% der gesamten Aktien in den USA und die untere Hälfte nur 1,3%. Bei den Anleihen ist es noch drastischer: die Top-10%  halten 96,1% und die untere Hälfte 0,0% der gesamten Anleihen.

Zudem unterscheidet sich die Vermögensfunktion zwischen Arm und Reich. Ersparnisse der Armen werden gerade in Krisen benötigt, während Finanzlagen (Aktien usw.) nicht unbedingt in Zeiten niedriger Kurse zu Geld gemacht werden müssen. Die paar Tausender unten werden für Reparaturen, Begräbnisse und andere Notfälle verwendet, die Buchwertverluste oben strecken oft nur den Zeithorizont in der Veranlagung. Das Top-1% der Haushalte hat die Hälfte aller Verluste der Finanzkrise erlitten. Dies klingt eindrucksvoll. Doch Vermögensverluste können eben nur jene erleiden, die Vermögen haben. Und es waren keine unwiderruflichen Verluste, sondern Buchwertverluste. Als die Aktienkurse 2012 in den USA wieder im zweistelligen Bereich anstiegen, stieg auch das Vermögen der der Top-1% wieder exorbitant an. Zu beachten ist das fiktive Moment bei Vermögen, welches bei Reichen stärker ist als bei Vermögensarmen.

hinkende Ländervergleiche, strittige Extreme

Die Höhe des Nettovermögens sagt übrigens nur begrenzt etwas über die Konsummöglichkeiten von Menschen aus, da es ja auf die zukünftigen Ausgabennotwendigkeiten und das Preisniveau ankommt. Wie viel von den 96.000 USD Nettovermögen (Medianwert: 2009) müssen die Leute in den USA etwa für die Ausbildung der Kinder, für private Gesundheitseinrichtungen und für private Altersvorsorge einplanen und wie wenig etwa von den 76.000 USD (Medianwert: 2010) in einem funktionierenden Sozialstaat Österreich? Ländervergleiche hinken stets, sogar bei vergleichbaren Daten, wie jenen des Household Finance and Consumer Surveys (HFCS) der Europäischen Zentralbank.

Kennickells SCF erfasst in der Stichprobe auch viele Reiche. Trotzdem fehlen Superreiche und sogar in einer exzellenten Erhebung wie dem SCF bleiben die Extreme der Vermögenskonzentration strittig. Wie groß der Abstand von den Maximalwerten der SCF-Stichprobe bis zur Wal-Mart Familie auf der Forbes Liste ist, bleibt offen. Dies ist die demokratiepolitisch bedenkliche Wissenslücke zu den vermögenden Mächtigen.