20 Milliarden Euro Unternehmensförderung?

29. Juli 2014

Wenn es um Einsparungspotenziale geht, gibt es selten einen Konsens. Ausnahmen bilden die Verwaltung, aber noch viel mehr die Förderungen. Das gilt allerdings nicht für die Höhe, da das Fördervolumen höchst unterschiedlich angegeben wird: Bei der engsten Definition beträgt es deutlich weniger als eine Milliarde Euro, während die breiteste selbst ohne Einrechnung der Haftungen, Steuer- und Kreditbegünstigungen knapp 20 Mrd Euro ergibt. Wer Verschlechterungen im Gesundheitsbereich, dem öffentlichen Verkehr oder im sozialen Wohnbau vermeiden möchte, sollte das Einsparungspotenzial niedrig ansetzen und konkret benennen.

Hinter den stark voneinander abweichenden Zahlen zu den Förderungen stecken unterschiedliche Quellen und Definitionen. In der politischen Debatte zum Einsparungspotenzial werden am häufigsten die Zahlen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) zu den gesamtstaatlichen Subventionen und Transfers genannt. Die letztverfügbaren Daten stammen aus dem Jahr 2013 und ergeben 19,6 Mrd Euro bzw. 6,2 % des BIP (in der Öffentlichkeit dominiert noch die Zahl 6,6 % des BIP aus 2012). Die Vorteile dieser Quelle sind erstens die Erfassung des gesamten öffentlichen Sektors (daher insbesondere von Bund, Ländern und Gemeinden), und zweitens die scheinbare internationale Vergleichbarkeit. Deshalb wird diese VGR-Zahl auch bevorzugt von WirtschaftsforscherInnen verwendet. Und da Österreich im EU-Vergleich den Spitzenplatz einnimmt, ergibt sich schnell die Forderung nach Kürzungen bis auf das Durchschnittsniveau der EU bzw. Eurozone (2,8 % des BIP).

Durchschnitt aus Äpfel und Birnen?

Ob nun die Orientierung am Durchschnitt das Maß aller Dinge ist, sei dahingestellt. Wichtiger in diesem Zusammenhang ist vielmehr die tatsächliche Vergleichbarkeit der Daten. Und die ist nur bedingt gegeben, da in der VGR funktional recht gleichwertige Einheiten in einem Land als staatlich und im anderen als privat klassifiziert werden. Zu den Unternehmenssubventionen (10,6 Mrd Euro) und –transfers (8,9 Mrd Euro) – zusammen also den Förderungen – gemäß VGR zählen beispielsweise:

  • Zahlungen im Rahmen der Krankenanstaltenfinanzierung
  • Kapitalzuschüsse (zB an verstaatlichte Banken)
  • die Forschungsprämie
  • ein Teil der Landwirtschaftsförderung (nicht direkte EU-Mittel)
  • Investitionszuschüsse (zB für den Bahn- und U-Bahnausbau, Hochwasserschutz)
  • Haftungsausfälle

Während etwa die Spitäler in den meisten anderen Ländern zur Gänze im öffentlichen Sektor angesiedelt sind, so ist das in Österreich nur zum Teil der Fall. Damit wurde ein nicht unerheblicher Teil der Gesundheitsausgaben in Österreich statistisch zur Unternehmensförderung (zB Krankenanstaltenverbünde). Dies erklärt bereits einen wesentlichen Teil des überdurchschnittlichen Fördervolumens in Österreich (Gesundheit: 1,9 % des BIP gegenüber lediglich 0,1 % des BIP in der Eurozone insgesamt). Einen ähnlich hohen Wert erreicht nur die Schweiz. Ähnlich verzerrt dürften die weit weniger relevanten „Unternehmensförderungen“ in den Bereichen Wohnungswesen und Kulturförderung sein.

Unternehmensförderungen* (in % des BIP) 2012

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Datenquelle: Eurostat (14.5.2014). *Subventionen und Transfers. © A&W Blog
Datenquelle: Eurostat (14.5.2014). *Subventionen und Transfers.

Neben den Gesundheitsausgaben liegt Österreich auch bei den Förderungen für „wirtschaftliche Angelegenheiten“ – der die klassische Unternehmensförderung enthält – klar über dem EU-Durchschnitt (3,4 % des BIP in Österreich gegenüber 1,9 % des BIP in der Eurozone). Weil für die meisten Länder keine so detaillierten Daten vorliegen, lässt sich Österreich hier statistisch am besten mit Deutschland und Schweden vergleichen. Der Großteil des Unterschieds erklärt sich erstens durch die Bankenhilfen, die 2012 in DE und SE nicht mehr flossen, zweitens durch den in Österreich wohl besser ausgebauten und preislich stärker geförderten öffentlichen Verkehr, und schließlich nur mehr zu einem kleineren Teil durch sonstige Wirtschaftsförderungen (die allerdings auch Arbeitsmarktförderungen umfassen).

Für die eigentlich relevante Frage, um wie viel höher das Volumen in den vermuteten stärker geförderten klassischen Bereichen wie Landwirtschaft, Tourismus, Forschung oder KMU sind, kann die VGR als Quelle bestenfalls Indizien liefern. Schlechtestenfalls führt sie zu populistischen Schlagzeilen wie „Subventions-Europameister Österreich“ ohne zu erwähnen, dass der Großteil der „Unternehmensförderungen“ innerhalb des öffentlichen Sektors fließt. Wer hier sparen will, trifft somit in erster Linie öffentliche Leistungen.

Anzumerken ist, dass die Vergleichbarkeit ab dem Jahr 2014 besser werden dürfte, weil durch die Reform der VGR einige ausgegliederte Einheiten wieder in den Sektor Staat zurückwandern. Statistisch dürfte damit das Volumen der Subventionen und Transfers an Unternehmen in Österreich deutlich zurückgehen, insbesondere in den Bereichen Gesundheit und Verkehr.

Beihilfenanzeiger der EU

Im Beihilfenanzeiger der EU werden jährlich alle direkten staatlichen Förderungen erfasst, die genehmigungspflichtig sind, daher innerhalb von 3 Jahren über 200.000 Euro betragen und nicht der Erbringung von Dienstleistungen im allgemeinen öffentlichen Interesse dienen (im Detail ist die Abgrenzung genauer). Für Österreich wurden für 2012 Unternehmensförderungen von rund 1,8 Mrd Euro bzw 0,6 % des BIP ausgewiesen. Österreich liegt damit in diesem Jahr über dem Durchschnitt von 0,52 % des BIP der EU. Der Unterschied zum VGR-Vergleich dürfte vor allem auf die Transfers an ausgegliederte Unternehmen bzw die Landwirtschaftsförderungen zurückzuführen sein, die beide im Beihilfenanzeiger nicht erfasst werden.

Der Vorteil des Beihilfenanzeigers als Quelle liegt darin, dass er diverse weitere Information vergleichbar für alle Mitgliedsstaaten liefert, wie zB der Anteil sektorspezifischer Förderungen bzw der inhaltlichen Schwerpunkte horizontaler Förderungen. Österreich beschränkte sich zumindest historisch weitgehend auf horizontale Förderungen und ist hier klar überdurchschnittlich stark in den Bereichen Umwelt sowie KMU aktiv, während etwa die Regional- sowie die Arbeitsplatzförderung unterdurchschnittlich bleibt.

Förderungen des Bundes

Im aktuellen Förderungsbericht für 2012 scheinen die direkten (4,6 Mrd Euro) und indirekten Bundesförderungen (9,6 Mrd Euro, davon 3,2 Mrd Entgang an Ertragsanteilen für Länder- und Gemeinden) auf. Von den direkten Förderungen entfallen rund 1,1 Mrd auf Unternehmen (weitgehend exklusive Landwirtschaft). Hauptprobleme dieser Quelle sind die unzureichende Nachvollziehbarkeit bzw. Aufbereitung.

Die direkten Förderungen gehen überwiegend an öffentliche Unternehmen (ÖBB, AMS, Krankenhäuser, …) sowie an landwirtschaftliche Betriebe. Privatfirmen bekommen überwiegend indirekte Förderungen in Form besserer Finanzierungskonditionen oder steuerlichen Vorteilen, die im Förderbericht kaum erfasst werden.

Die wichtigsten direkten Förderungsbereiche – zumindest exkl. Bankenförderung, die in den Aufgabenbereich „übrige Hoheitsverwaltung“ fällt – sind die Land- und Forstwirtschaft (1,7 Mrd Euro) sowie Forschung & Wissenschaft (685 Mio Euro).

Förderungen der Länder und Gemeinden

Über die Förderungen der Länder und Gemeinden insgesamt gibt es kaum Informationen. Zumindest über das Volumen lässt sich aber ein grober Überblick mittels der gesammelten Budgetdaten der Statistik Austria gewinnen.

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Quelle: Statistik Austria (STATcube 14.5.2014), eigene Berechnungen. *ordentliche & ao. Ausgaben sowie Investitionsausg. lt. Voranschlägen © A&W Blog
Quelle: Statistik Austria (STATcube 14.5.2014), eigene Berechnungen. *ordentliche & außerordentliche Ausgaben sowie Investitionsausgaben laut Voranschlägen

Ohne Detailanalyse direkt in den einzelnen Landes- und Gemeindehaushalten ist es jedoch nicht möglich qualifizierte Aussagen zu treffen, welche Körperschaft nun in welchen Bereichen mehr oder weniger fördern sollte.

Fazit

Auch wenn die Datenbasis zu wünschen übrig lässt – Einsparungspotenziale im Milliardenbereich ohne gröbere Konsequenzen scheinen nicht realisierbar. Trotzdem lohnt ein genauer Blick auf die Förderungen, da ein paar Dutzend Millionen Euro effektiver eingesetzter Mittel gerade in Hinblick auf zusätzliche Beschäftigungsimpulse dringend gebraucht werden. Aus anekdotischer Evidenz (Kultur-, Tourismus- und Landwirtschaft) dürfte vor allem auf Landesebene Potenzial bestehen. Bezieht man die indirekten Förderungen mit ein, ließen sich noch viel größere Summen umschichten. Dieses Potenzial zu konkretisieren und auch zu heben (ohne „mit dem Rasenmäher drüberzufahren“), bleibt eine große Herausforderung.