10 Tipps für Eltern für konfliktfreien Heimunterricht

17. März 2020

Sorgen um Gesundheit, Arbeitsplatz und wirtschaftliche Existenz – durch die COVID-19-Pandemie sind Eltern zusätzlich mit der Herausforderung konfrontiert, ihre Sprösslinge in den nächsten Wochen möglichst zu Hause zu unterrichten. Für alle, die sich hier unsicher fühlen, 10 Tipps, um gut in den Heimunterricht zu starten:

Alle Tipps auch in türkischer Sprache finden Sie hier. Wir haben alle Tipps auch in bosnisch/kroatisch/serbisch für Sie zusammengefasst.

1. Zuerst Erwartungen abklären

Wenn die Kinder gerade über „EXTRA-FERIEN!“ jubeln, die Erwachsenen aber darauf programmiert sind, das schulisches Lernen weiterhin sicherzustellen, dann rollen unweigerlich Konflikte an. Enttäuschungen entstehen immer aus einer Differenz zwischen Erwartung und Realität – besprechen Sie daher unbedingt die Erwartungshaltungen der einzelnen Familienmitglieder über das Zusammenleben in den nächsten Wochen! Natürlich dürfen dabei auch die Kinder ihre Wünsche äußern. Finden Sie einen Kompromiss und sorgen Sie für Verständnis, dass ein paar Stunden des Tages der Schule zu widmen sind, sowie für Erwachsene momentan ebenso gewisse Verpflichtungen weiter gehen.

2. Machen Sie deutlich, dass wir Leben schützen, indem wir jetzt nicht in der Schule lernen, sondern zu Hause.

Wenn Sie es noch nicht getan haben, erklären Sie kindgerecht die aktuelle Pandemie – denn Ungewissheit schürt bei Kindern Ängste. Machen Sie deutlich, dass wir Leben schützen, indem wir jetzt nicht in der Schule lernen, sondern zu Hause.

3. Destress! Entspannen Sie sich.

Schule soll nun möglichst daheim stattfinden, aber Eltern sind trotzdem keine LehrerInnen. Entspannen Sie sich. Ihre Rolle ist weniger, den Kindern neues Wissen bei zu bringen, es geht um das Üben und darum, das Vergessen aufzuhalten. Die LehrerInnen Ihrer Kinder haben in kurzer Zeit gewissenhaft Arbeitsunterlagen und Lernpläne produziert – Sie sind nun die Lerncoaches, die darauf achten, dass diese auch durchgearbeitet werden und SIe gestaltet die Rahmenbedingungen des Lernens. Vergessen Sie Perfektionismus, reiten Sie nicht auf Fehlern herum, achten Sie auf eine gute Stimmung – jeder lernt besser, wenn er gerne lernt.

4. Rituale aufbauen

Kinder fühlen sich, wie Erwachsene, meist wohler, wenn sie wissen, was auf sie zu kommt. Klären Sie am Anfang gemeinsam, wie die Familie für die kommenden Wochen den Tagesablauf strukturieren will (Familienrat) – soweit das aufgrund Ihrer beruflichen Situation planbar ist. Setzen Sie, was das Lernen betrifft, für die Kinder Orientierungspunkte – die ähnlich wie eine Schulglocke den Kindern signalisieren, dass JETZT die Lernzeit beginnt. Starten Sie beispielsweise mit einer „Teambesprechung“ in die tägliche Lernphase, bei der die Kinder ihre heutigen Aufgaben durchgehen oder auswählen (je nachdem, wie die Schule Ihrer Kinder die Lernunterlagen aufgebaut hat). Vielleicht ist es passend, das Lernen mit einer 10minütigen Lesezeit oder dem Ausmalen von Mandalas zu beginnen, denn das baut Konzentration und Ruhe auf. Reißen Sie Ihre Kinder für das Lernen keinesfalls unangekündigt aus ihrem Spiel – auf diese Art wechseln sie garantiert nicht fröhlich zu ihren Schulunterlagen.

Begrenzen Sie das Lernen auf bestimmte Zeit, anstatt es durch den ganzen Tag zu ziehen. Den Kindern soll klar sein, dass sie wieder andere Dinge tun können, sobald sie ihre Aufgaben erledigt haben. Pausen könnt Sie nach Bedarf einlegen. Es ist schön, dass das 50-min-Korsett der Schule einmal nicht den Takt vorgibt.

Reflektieren Sie am Ende der Lernphase noch einmal zusammen den „Schultag“: Was wurde gemacht? Was wurde geschafft? War etwas schwer? Muss morgen etwas anders sein? Rituale können genauso in anderen Bereichen helfen. Eine gemeinsame „15-Minuten-Aufräumzeit“ hält zum Beispiel das Chaos in Grenzen. Zusammen abends täglich ein (Gesellschafts-)Spiel zu spielen, ist ein wunderbarer Tagesausklang – und dabei wird übrigens auch viel gelernt. Ihren Teenagern verkaufen Sie die neuen Rituale vielleicht besser unter dem Schlagwort „Routine“ – so nennen Influencer nämlich ihre Tagesabläufe.

5. Freiräume lassen

Schreiben Sie Ihren Kindern nicht minutiös vor, was sie zu tun haben. Geben Sie ihnen den Freiraum, möglichst viel selbst zu bestimmen. Lassen Sie sie Verantwortung für ihr eigenes Lernen übernehmen. Nicht nur für Ihre Nerven ist es besser, wenn ihr beim Lernen und Üben nicht ständig neben den Kindern sitzt. Wie gut könnten Sie Ihre Arbeit ausführen, wenn Ihnen dabei jemand andauernd kontrollierend über die Schulter schaut? Sehen Sie diesen Freiraum auch positiv für Sie selbst: Sie können sich in der Zwischenzeit auf Ihre Dinge konzentrieren.

6. Arbeitsplatz & Rückzugsort einrichten

Organisieren Sie nicht nur die Lernzeit, sondern auch den Lernort. Es ist wichtig, dass ihr Kind einen Arbeitsplatz hat, an dem es ungestört an seinen Schulaufgaben arbeiten kann. Das mag in jeder Familie ein anderer Ort sein. Wichtig ist, dass ein Kind beim Lernen nicht dauernd unterbrochen wird (zB von Geschwisterkindern) und die verlockenden Ablenkungen möglichst gering sind. Ein wenigstens temporärer Rückzugsort für jedes Familienmitglied ist stimmungstechnisch für die nächsten Wochen ohnehin hilfreich. Je beengter die räumlichen Verhältnisse sind, desto schwieriger ist das freilich umzusetzen. Auch ein Vorhang am Stockbett schafft Privatsphäre.

Beim Lernen müssen nicht alle Arbeiten an einem Tisch sitzend ausgeführt werden. Schreiben kann man am Boden, Lesen auf der Couch. Wichtig ist, die Schulmaterialien für die Kinder übersichtlich zu organisieren. Finden Sie einen Ort, an dem sie zugänglich sind, aber gleichzeitig nicht mit Spielsachen vermischt oder von jüngeren Geschwisterkindern durcheinandergebracht werden können. In der Montessori-Pädagogik wird Lernmaterial auf Augenhöhe sichtbar in offenen Regalen angeboten, damit es für die Kinder im Blick ist.

7. Das Tablet ist Ihr Freund (!)

Auseinandersetzungen über die tägliche Bildschirm-Zeit der Kinder werden in den kommenden Wochen sicher nicht weniger. Eltern sind hin und hergerissen zwischen „Wie bekomme ich meine Kinder vom Bildschirm weg?!“ und dem Tablett als Babysitter. Auch hier gilt: entspannen Sie sich. Tabletts und Smartphones sind nicht grundsätzlich des Teufels – es kommt, wie beim guten alten TV, auf die Nutzung an. Schulen verwenden beispielsweise häufig die App „Anton“, die spielerisches Üben mit einem Belohnungssystem kombiniert (kostenfrei). Wie beim Fernsehen, macht es bei Youtube und den Streamingdiensten einen massiven Unterschied, welches Programm gesehen wird. Besprechen Sie mit Ihren Kindern ihren Medienkonsum und das richtige Verhalten im Internet. Die Initiative Saferinternet.at hat für Eltern viel hilfreiches Wissen zur Internetnutzung parat, auch für Eltern von Kindergartenkindern.

Vergessen Sie nicht: glückliche Eltern sind gute Eltern – entnervte Eltern nicht. Entsorgen Sie daher rechtzeitig überzogene Perfektionismusansprüche. Weg mit dem schlechten Gewissen und vor allem weg mit der Illusion, die kommenden Wochen in JEDER Sekunde rein „pädagogisch wertvoll“ zu verbringen. Seien wir ein bisschen großzügig mit uns selbst und mit unseren Kindern.

Ganz bestimmt werden Ihre Kinder ihre Freunde vermissen, vor allem, weil sie gerade so viel Zeit zum Spielen hätten. Playdates und Spielplatzbesuche sind derzeit aber zu vermeiden. Das Gebot der Stunde heißt für Groß und Klein: Freunde nur virtuell treffen. Wenn Sie die technische Möglichkeit haben, lassen Sie Ihre Kinder mit ihren Freunden (video-)telefonieren oder gemeinsam (altersgemäße) online-Spiele spielen. Jüngere Kinder können auch Briefe schreiben, die Sie abfotografieren und (per Mail) versenden, oder ausprobieren, Emails zu tippen. Teenager kommunizieren ohnehin bereits meist eigenständig über eigene Geräte.

8. Vorbild sein

Kinder lernen ganz wesentlich durch Nachahmen. Bemühen Sie sich daher, ein gutes Vorbild zu sein. Ihre Kinder haben jetzt viel Zeit, Sie zu beobachten und von Ihnen zu lernen. Wer selbst ständig am Handy hängt, sollte sich nicht wundern, wenn seine Kinder das gleiche wollen. Wenn Sie möchten, dass Ihre Kinder lesen, lesen sie selbst. Usw.

9. Kreatives, Bewegung und Spaß nicht vergessen

Die Lage ist ernst – der Heimunterricht muss aber nicht spaßbefreit sein. Auch Schule ist mehr als nur Mathe und Rechtschreibung. Abgesehen von dem, was die LehrerInnen Ihrer Kinder vorbereiten, können Sie zum Beispiel gemeinsam Olympische Wohnzimmerspiele veranstalten (Wer kann am längsten auf einem Bein stehen? Wer gewinnt im Esstisch-Tischtennis?), die Lieblingslieder singen oder eine Kunstausstellung aus leeren Klopapierrollen gestalten.

10. Mit dem arbeiten, was da ist

Und noch einmal: entspannen Sie sich. Sie brauchen in dieser Zeit keine besonderen Extramaterialien, kein knallbuntes Bastelset und keine neuen Spielsachen zu Hause. Eine Ihrer wertvollsten Ressource ist das Internet – genauer gesagt die unzähligen Ideen, die man sich online holen kann. Geben Sie in die Suchmaschine Ihres Vertrauens „Basteln mit Müll“ ein, und lassen Sie sich überwältigen. Oder probieren Sie „Experimente mit Kindern zu Hause“.
Machen Sie aus dem Alltag ein Abenteuer. Das Essen zuzubereiten kann zum Beispiel in eine „Koch- & Back-AG“ umgewandelt werden. Zugegeben, es dauert dann sicher länger, bis Essen am Tisch steht, aber es überbrückt auch die Zeit, und am Ende können Ihre Kinder vielleicht sogar kleine Gerichte zubereiten? „Always look on the bright side of life!” Aus allem kann man etwas Positives machen – auch aus dieser Ausnahmesituation.

Hilfreiche Links für den Heimunterricht:

Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0: Dieser Beitrag ist unter einer Creative-Commons-Lizenz vom Typ Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International zugänglich. Um eine Kopie dieser Lizenz einzusehen, konsultieren Sie http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/. Weitere Informationen https://awblog.at/ueberdiesenblog/open-access-zielsetzung-und-verwendung